Das Känguru-Manifest

einräume?«
    »Nee.«
    »Na mir selbst!«, sage ich. »Die einzige Bedingung scheint mir zu sein, dass man kein absolutes Vollarschloch ist. Und ich bin kein absolutes Vollarschloch.«
    »Na ja«, sagt das Känguru.
    »Bitte was?«, frage ich empört.
    »Hm«, sagt das Känguru. »Das kam jetzt vielleicht falsch rüber. Ich meinte: Na ja, auch diese Bedingung wird sehr locker gehandhabt.« 18

    18 1973, während des Vietnamkrieges, bekamen der amerikanische Verhandlungsführer Henry Kissinger und sein vietnamesisches Pendant Lê Duc Tho den Friedensnobelpreis. Lê Duc Tho allerdings lehnte die Auszeichnung mit den Worten: »Welcher Friede?« ab. Anm. des Kängurus 18.1
18.1 Wie schaffst du es nur immer wieder, von jedem beliebigen Punkt aus den Vietnamkrieg zu thematisieren? Anm. des Chronisten 18.1.1
18.1.1 You can do it if you really try. Anm. des Kängurus

»Die Proletarier haben nichts
zu verlieren als ihre Ketten.« Heidi Klum
    »… ein Sprecher des Ministeriums für Produktivität wies die Kritik zurück, man wolle nur am rechten Rand Stimmen fischen, und verteidigte gestern die geplante Einteilung aller Ausländer in produktiv oder unproduktiv als alternativlos. Wer auf Dauer in Deutschland leben wolle, müsse sich integrieren und, so wörtlich, ›Integrieren heißt produzieren‹. Laut einer Umfrage des German Institute For Manufacturing Consent (GIFMC) unter repräsentativ ausgewählten Mitarbeitern des German Institute For Manufacturing Consent (GIFMC) unterstützt eine klare Mehrheit von 51 Prozent der Deutschen …«
    Das Känguru schaltet das Radio aus und setzt sich wieder an den Küchentisch. Ich stehe vor dem Wasserkocher.
    »Seit du mir erzählt hast, dass jede Suchanfrage über Google genauso viel Energie verbraucht wie das Kochen einer Tasse Wasser, überlege ich mir jedes Mal, wenn ich mir einen Tee machen will, ob ich nicht lieber was googeln soll«, sage ich.
    »Mhm«, sagt das Känguru, ohne von seinem Papierhaufen aufzublicken. »Googel doch mal: ›Mäßig interessantes Gesprächsthema.de‹.«
    »Apropos Tee«, sage ich. »Es ist keiner mehr da. Wolltest du nicht einkaufen gehen?«
    »Nee«, sagt das Känguru. »Da bist du falsch informiert.«
    »Soso.«
    »Ja, ja.«
    »Hm, hm.«
    »Ich habe zu tun«, sagt das Känguru.
    »Was schreibst du denn da schon wieder?«, frage ich.
    »Ich arbeite an meinem unveröffentlichten Hauptwerk …«, beginnt das Känguru.
    »Optimismus und Reproduktion?«, frage ich.
    »Opportunismus und Repression!«, echauffiert sich das Känguru.
    »Genau. Hab ich doch gesagt. Okkultismus und Religion.«
    »Ja, ja«, sagt das Känguru. »Jedenfalls arbeite ich dieses Werk zu einem Manifest um.«
    »Aha.«
    »Ich möchte nämlich den Boxclub weiterentwickeln«, sagt das Känguru.
    »Wie kommt’s?«, frage ich.
    »Ich muss immer für alle mitdenken«, sagt das Känguru. »Das ist mir zu anstrengend.«
    »Vielleicht liegt’s am Konzept«, sage ich.
    »Hab ich auch schon gedacht«, sagt das Känguru. »Jedenfalls will ich jetzt eine neue Organisation ins Leben rufen, in der sich jeder selbst seine Gedanken machen soll.«
    »Den Känguru-Geheimbund?«, frage ich.
    »Ich bin doch keine vier Jahre alt«, sagt das Känguru. »Was für ’ne beknackte Idee …«
    »Aber die Abkürzung wäre witzig«, sage ich.
    »Welche Abkürzung?«, fragt das Känguru.
    »Na KGB«, sage ich.
    »Ich verstehe nicht«, sagt das Känguru. »Warum ist das witzig?«
    »Na, wegen dem KGB!«, rufe ich.
    »Hm«, sagt das Känguru. »Wenn du meinst …«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Jedenfalls«, sagt das Känguru, »werde ich eine neue Gruppe gründen. Ich nenne sie Das Asoziale Netzwerk .«
    »Witzig«, sage ich.
    »Wieso?«, fragt das Känguru.
    »Wer verarscht hier eigentlich wen?«, frage ich.
    »Sag du es mir«, sagt das Känguru.
    »Du mich«, sage ich.
    »Korrekt«, sagt das Känguru. »Und der Name ist nicht nur witzig, er ergibt sogar Sinn«, sagt das Känguru. »Weil nämlich das System asozial ist, ist alles, was sozial genannt wird, eigentlich asozial – soziale Marktwirtschaft etc. –, und darum muss etwas wahrhaft Soziales asozial genannt werden, folglich ist ein soziales Netzwerk ein asoziales.«
    »Ich finde deine Terminologie verwirrend«, sage ich.
    »Sie ist streng marxistisch«, sagt das Känguru. »Und zwar in dem Sinne eines Briefes, den Marx an Engels geschrieben hat. Moment …«, das Känguru zieht ein dickes blaues Buch mit vielen Lesezeichen aus seinem Beutel und