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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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Energiepreise sonst unbezahlbar würden.«
    »Das ist aber nett«, sage ich, »dass die sich so um die Benachteiligten sorgen …«
    »Lobbyisten«, sagt das Känguru und spuckt auf den Fußboden.
    »Könntest du das bitte mal auf deine Not-to-do-Liste setzen?«, frage ich angewidert.
    »Manchmal hoffe ich, dass der ganze Jenseits-Quatsch doch wahr ist und dass es einen speziellen, wirklich furchtbaren Höllenkreis ganz allein für Lobbyisten gibt.«
    »Hoh!«, sage ich. »Ganz ruhig.«
    »Ach«, sagt das Känguru. »Ich rede mich nur ein bisschen in Rage, damit mir von innen warm wird. Verstehste?«
    »Verstehe.«
    »Und du denkst jetzt vielleicht, so etwas könnte in Deutschland nicht passieren«, sagt das Känguru.
    »So etwas denke ich schon lange nicht mehr«, sage ich.
    »Da dächtest du auch falsch«, sagt das Känguru. »Die Telekom hat man dabei erwischt, die Deutsche Bahn, die Straßenbauindustrie und natürlich die Atomkraftlobby. Die haben auch eine vorgebliche Bürgerinitiative gegründet – Bürger für Technik –, deren Ziele verblüffende Ähnlichkeit mit denen der Atomkraftwerksbetreiber aufweisen. Die personellen Überschneidungen sind aber bestimmt nur zufällig, und außerdem …«
    »Ja, ja«, sage ich. »Den Rest kann ich ja selber bei Wikipedia nachlesen.«
    »Aber beeil dich«, sagt das Känguru. »Ich glaube nämlich, die meisten Corporate-Social-Responsibility-Abteilungen sind hauptsächlich damit beschäftigt, die Wikipedia-Einträge ihrer Konzerne zu schönen.« 20
    »Ist dir eigentlich schon wärmer?«, frage ich.
    »Es geht so«, sagt das Känguru.
    »Erzähl mir doch noch mal, wie sie den ganzen dünn besiedelten Norden Kanadas unbemerkt in eine giftige Teerwüste verwandeln, um Rohöl aus den dort lagernden Ölsanden zu gewinnen«, sage ich.
    »Boah! Da könnt ich mich drüber aufregen!«, flucht das Känguru. »Da sind im Norden von Alberta 500 Zugvögel in einem Teich mit Abfallprodukten der Ölförderung gelandet. Gerade mal fünf haben das überlebt.«
    »Und erzähl mir noch mal, wie viel Süßwasser gebraucht wird, um das Öl vom Sand zu trennen. Nicht viel, oder?«
    »Doch! Doch! Unfassbar viel!«, ruft das Känguru. »Ein Viertel des Süßwasserverbrauchs in Alberta verschwendet die Öl- und Gasindustrie, und außerdem wird ein Fünftel des insgesamt geförderten kanadischen Erdgases dafür verbraucht, dieses Wasser zu erhitzen, und weil das zu teuer wird, verheizen sie nun wieder Steinkohle, wodurch noch viel mehr CO 2 – puh –«, das Känguru hält inne. »Kannst du mal das Fenster aufmachen? Es ist ja total heiß hier drin.«
    Ich öffne das Fenster. An der Plakatwand auf der gegenüberliegenden Straße wurde ein neues Plakat angebracht. Darauf sieht man eine adrett lächelnde junge Frau an einer Supermarktkasse sitzen. Unter dem Bild steht in großen Lettern: »Frage nicht, was dein Arbeitsplatz für dich tun kann. Frage, was du für deinen Arbeitsplatz tun kannst.«
    Das Känguru zieht ein Fernglas aus seinem Beutel und liest das Kleingedruckte vor: »Dies ist eine Kampagne der Initiative Für Mehr Arbeit , unterstützt vom Bundesministerium für Produktivität.«
    Es reicht mir das Fernglas.
    »Ich glaube, ich krieg Fieber …«, murmelt es.

    20 Der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung umschreibt den freiwilligen Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung, der über die gesetzlichen Forderungen hinausgeht. Viele Konzerne kommen dieser Verpflichtung in vorbildlicher Weise nach. Zum Beispiel: Monsanto, BP, Halliburton und Nestlé. Tolle Unternehmen mit tollen Produkten. Quelle: www.wikipedia.de

»Schön, die Phönizier haben das Geld erfunden.
Aber warum so wenig?« Buddha
    »Ich habe ein Kindergedicht verfasst«, sage ich, während wir in einer ewig langen Schlange vor dem Bankschalter anstehen. »Eines, das die Knirpse schon subtil auf ihre Zukunft vorbereitet.«
    »Isses lang?«, fragt das Känguru, holt eine Tasse und eine Thermoskanne aus seinem Beutel und schenkt sich ein.
    »Vier Zeilen«, sage ich.
    »Na gut.«
    »Benjamin das Rüsseltier floh aus seinem Gehege.
    Er dachte sich nichts Böses dabei, ging einfach seiner Wege.
    Doch erklärte man ihn darob sofort zum Problemelefant.
    Auf seinem Grabstein steht: War nicht systemrelevant.«
    »Willst du auf was Bestimmtes hinaus?«, fragt das Känguru und schlürft von seinem Malzkakao.
    »Hast du gestern Zeitung gelesen?«, frage ich.
    »Nö.

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