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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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Darauf sieht man einen gravitätisch entschlossenen Entscheider im Nadelstreifenanzug. Unter dem Bild steht: »Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Arbeitsplätze!«
    »Klingt nach Wilhelm dem Zweiten beim Ausbruch des Weltkrieges«, sage ich. »Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!«
    Das Känguru schüttelt nur seinen Kopf.
    »Ich war ja gestern wieder bei Snacks and the City «, sagt es. »Und da habe ich mit Otto über die letzte Anti-Dwigs-Demo palavert. Und Otto sagte, die Veranstalter hätten von 4000 Protestierenden gesprochen, die Polizei aber nur von 400, und dann habe ich gesagt: ›Das ist wenig verwunderlich. Wenn die zählen könnten, wären sie ja nicht Polizisten geworden.‹ Und dann sagte der Typ hinter mir: ›Wissen Sie, wo ich arbeite?‹, und ich sagte: ›Nee‹, und er so … äh … also … äh …«, das Känguru scheint das Interesse an seiner Geschichte verloren zu haben. Sein Blick haftet auf einer Bahnhofsuhr. An einer goldenen Kette zieht es eine antike Taschenuhr aus seinem Beutel. Plötzlich stürmen zu beiden Eingängen je ein halbes Dutzend mit Skimasken vermummter Personen auf den Bahnsteig. Sie springen in Zweiergrüppchen auf die Bahngleise, rennen zu den Plakatwänden, öffnen die Flügelschrauben, nehmen die Plakatwände heraus, drehen die bedruckte Seite nach innen, schrauben die Plakatwände wieder fest, sprayen pro Wand ein Wort auf die Rückseite, und einige Sekunden später sind sie wieder verschwunden. Das Känguru kuckt wieder auf seine Taschenuhr.
    »Ausgezeichnet«, sagt es.
    An den Wänden des Bahnhofs steht: »Wollt ihr den totalen Arbeitsplatz?«
    Gut die Hälfte der am Bahnhof Wartenden spendet spontan Applaus.
    »Durch den Spruch wird es Kunst«, sagt das Känguru. »Das kann vor Gericht sehr hilfreich sein.«
    Auf der letzten Plakatwand steht: »Dies ist ein Anti-Terror-Anschlag des Asozialen Netzwerkes !«
    »Schön«, sage ich. »’Ne Runde Sache.«
    Das Känguru nickt.
    »Gehen wir was essen?«, frage ich.
    »Nee«, sagt das Känguru. »Ich muss noch ins Jobcenter.«
    »So?«
    »Ja. Ich will mein Projekt vorstellen.«
    »Was’n für ein Projekt?«
    »Ich will mich selbständig machen. Du erinnerst dich? Dann kriegt man sechs Monate länger Arbeitslosengeld.«
    »Und als was möchtest du dich selbständig machen?«, frage ich. »Als Schnapspralinentester?«
    »Nein. Damit möchte ich mich selbständig machen«, sagt das Känguru und zieht eine dicke Mappe aus seinem Beutel.
    »Hoho!«, sage ich. »Da hat sich aber jemand vorbereitet.«
    »Man muss die beschäftigt halten«, sagt das Känguru, »sonst beschäftigen die dich.«
    »Verstehe.«
    »Wenn ich dir aus meiner üppigen Lebenserfahrung nur einen Rat geben dürfte, dann wäre es dieser hier«, sagt das Känguru. »Gefährliche Leute muss man beschäftigt halten. Warum nicht manchmal vor den U-Bahn-Kontrolleuren wegrennen, wenn man einen Fahrschein hat? Warum nicht mal einen Euro zu viel ans Finanzamt überweisen und dann per Schrieb vom imaginären Anwalt mit Zinsen zurückfordern? Wenn die Leute nicht genug zu tun haben, stellen sie nur Unfug an.«
    »Im Übrigen schön, dass ihr euch gegenseitig beschäftigt«, sage ich. »Das Amt und du. Das ist ja quasi ein doppelter Hauptgewinn für alle anderen.«
    »Ahahamuhmuhmuh«, macht das Känguru.
    »Aber im Ernst«, sage ich. »Mit was willst du dich selbständig machen?«
    »Ich schlage vor, eine Organisation zu gründen, die die globale Erwärmung dadurch bekämpft, dass die Erde in eine weiter entfernte Umlaufbahn um die Sonne katapultiert wird.«
    »Das … äh … das ist eine sehr gute Idee«, sage ich.
    »Ja. Nicht wahr? Dann müssten weder die Menschen ihre Konsum- noch die Industrie ihre Produktionsgewohnheiten umstellen. Immer, wenn es wieder zu warm zu werden droht, rückt man die Erde noch ein Stück von der Sonne weg.«
    »Brillant!«, sage ich. »Ich dreh gleich die Energiesparlampen wieder raus. Ich hab nämlich manchmal das Gefühl, dass es, wenn ich die Lampe anmache, in der Küche noch dunkler wird.«
    Die U-Bahn kommt. Wir steigen ein.
    »Und du glaubst, die nehmen das an?«, frage ich.
    »Klaro«, sagt das Känguru. »Ich habe mir nämlich einen super Köder ausgedacht.«
    »So?«
    »Ich werde ihnen erklären, dass wenn die Erde erstmal in einer weiter entfernten Umlaufbahn schwebt, jeder Tag plötzlich 25 Stunden hätte«, sagt das Känguru. »Das heißt doch aber nichts anderes, als dass jeder von

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