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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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dem Verein rauskommst, bevor sie dich zum Ministranten machen!«, ruft das Känguru.
    »Aus dieser Bibelstelle kommt ja auch die Volksweisheit: Wein auf Bier, das rat ich dir«, sage ich.
    »Ach, sei still und geh dich beschäftigen«, sagt das Känguru, greift in seinen Beutel und reicht mir einen Tacker.
    TACK.
    »Aua! Spinnst du?«, ruft das Känguru.
    »Hast du schon mal darüber nachgedacht, was wäre, wenn der ganze Quatsch stimmt?«, frage ich.
    »Dann kommen wir in die Hölle«, sagt das Känguru, »weil wir immer die Kettenmails mit den leukämiekranken Kindern gelöscht haben.«

Ich schleiche ins Klassenzimmer und setze mich in die letzte Reihe. Die Schüler sind unruhig. Kurz nach mir tritt der Aushilfslehrer ein. Es ist ein Känguru. Es ist durch das Asoziale Netzwerk an diese Stelle gekommen.
    »So, Klasse! Euer Lehrer ist krank, darum bin ich hier«, sagt das Känguru. »Dies ist ein Anti-Terror-Anschlag des Asozialen Netzwerkes ! Ich erkläre euch heute, was passiert, bevor die NATO irgendeinen Diktator aufmischt. Und zwar so, dass ihr’s versteht. Passt auf. Das hier ist der Diktator …«
    Das Känguru holt eine Handpuppe aus seinem Beutel. Die Puppe ist eine krude, offenbar selbst zusammengenähte, fünfköpfige Mischung aus Krokodil, Räuber, Teufel, Polizist und Kasper. Auf der Kleidung der Puppe steht: EVIL.
    »Und das hier ist die NATO …«, sagt das Känguru. Es zieht eine weitere, fast identische, aber größere Puppe aus seinem Beutel und steckt sie über seine andere Pfote.
    »Die beiden sind Kumpels«, sagt das Känguru.
    Die beiden Puppen knuffen sich freundschaftlich.
    »Na, du Spast?«, fragt die größere Puppe.
    »Was los, ihr Spackos?«, fragt die kleinere.
    »Ey! Nicht so doll!«
    »Selber nicht so doll!«
    »Ey, du bist nich mehr unser Kumpel! Und wir laden dich auch nicht mehr zu unseren Geburtstagen ein.«
    Das Känguru räuspert sich.
    »Nun verlangt die NATO also vom Diktator ein Einlenken, sonst werde sie zu militärischen Mitteln greifen«, sagt es. »Übersetzt in eure Lebenswelt klingt das folgendermaßen …«
    Die beiden Puppen wenden sich einander zu.
    »Mach, was wir sagen, sonst ficken wir dich«, sagt die größere.
    »Fickt euch doch selber«, antwortet die kleinere.
    »Das geht nun eine ganze Weile in diesem Stil hin und her«, sagt das Känguru.
    »Mach, was wir sagen, sonst ficken wir dich, du Opfer.«
    »Fickt euch selber. Selber Opfer!«
    Das Känguru räuspert sich.
    »Irgendwann glaubt die NATO dann, dass ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht«, sagt es.
    Die größere Puppe wendet sich dem Publikum zu und spricht: »Ey! Jetzt haben wir so oft gesagt, dass wir den ficken, wenn er nicht macht, was wir sagen, dass wir den ficken müssen, weil er nicht macht, was wir sagen, weil sonst macht keiner mehr, was wir sagen, wenn wir sagen, dass wir den sonst ficken, weil die sonst alle glauben, dass wir die gar nicht in echt ficken, wenn wir sagen, dass wir die ficken.«
    »Aber dann gibt die NATO der Diplomatie eine letzte Chance«, sagt das Känguru.
    »Mach, was wir sagen, oder wir ficken dich. In echt. Wirklich. Ficken«, sagt die größere Puppe.
    »Was verlangt ihr denn?«, fragt die andere.
    »Wir verlangen nicht viel. Wir verlangen nur, dass du dich von uns ficken lässt!«
    »Wieso wollt ihr mich ficken? Warum fickt ihr nicht den Diktator aus meinem Nachbarland?«
    »Na, weil … so halt!«, ruft die größere Puppe, und die beiden Puppenmonster gehen aufeinander los.
    »Und am Ende, liebe Kinder«, sagt das Känguru, »stirbt wie immer der Seppel.«
    Mit großen Augen starrt die Klasse das Känguru an.
    »Und jetzt erzähle ich euch vom Vietnamkrieg …«
    Als die Stunde vorbei ist, packen wir das Theater wieder ein und gehen.
    »Ich weiß nicht, ob das eine angemessene Schulungsmethode für Drittklässler war«, sage ich.
    »Was? Wieso denn?«, fragt das Känguru. »Ich habe doch Puppen benutzt.«

»Die Macht ist nicht etwas, was man erwirbt, wegnimmt, teilt, was man bewahrt oder verliert;
die Macht ist etwas, was sich von unzähligen Punkten aus und im Spiel ungleicher und beweglicher
Beziehungen vollzieht.« Darth Vader
    Ich laufe eilig die Straße hinunter. Das Känguru hüpft neben mir her, hat den Kopf zu mir gedreht und plappert.
    »… und als ich gestern Otto im Snacks and the City 2 besucht habe, da stand schon wieder dieser seltsame Typ mit dem Stöpsel im Ohr rum …« In letzter Sekunde weicht das Känguru einem Fahrradfahrer aus.
    »…

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