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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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jedenfalls … äh … was rennst du denn so?«, fragt es.
    »Muss aufs Klo«, sage ich.
    »Nun ja … wie dem auch sei …«, sagt das Känguru. »Stöpsel im Ohr kann ja viel bedeuten. Vielleicht hat der Typ ja nur ein Hörgerät, also spreche ich ihn an, und da sagt der …«
    An der Ecke vor unserem Haus kreuzen uns plötzlich zwei Arbeiter, die eine riesige Panzerglasscheibe tragen. Das Känguru hüpft mit voller Wucht gegen die Scheibe.
    Ich blinzle verwirrt. Die Männer entschuldigen sich überschwänglich. Das Känguru winkt benommen ab.
    »Das ist doch völlig übertrieben«, sagt es.
    Es rappelt sich auf. Die Männer gehen eiligst weiter.
    »Sag, dass das völlig übertrieben war!«, sagt das Känguru.
    »Ich glaube, das war das Lustigste, was ich je erlebt habe«, sage ich. »Ich kann nur noch nicht fassen, dass es wirklich passiert ist, sonst würde ich laut lachen.«
    »So was Absurdes«, sagt das Känguru.
    »Gib mir mal den WITZIG-Stempel«, sage ich.
    »Vergiss es.«
    »Jetzt kann ich zufrieden sterben«, sage ich. »Kann mit einem Lächeln abtreten.«
    »Wenn du dich weiter über mich lustig machst, wird das ziemlich bald passieren«, sagt das Känguru.
    Als wir gleich darauf unser Haus betreten, bemerke ich im Flur, oben in der Ecke, eine auf uns gerichtete Überwachungskamera. Das Känguru folgt mit seinen Augen meinem Blick.
    »Die ist neu hier, was?«, frage ich.
    »Der verdammte Pinguin!«, sagt das Känguru.
    »Meinste, die ist echt?«, frage ich und hole die Post aus dem Briefkasten. »Es gibt doch jetzt überall so Kameraattrappen zu kaufen.«
    »Was soll das bringen?«, fragt das Känguru.
    »Na, es ist wie in Benthams Panoptikum. Du musst nicht wirklich überwacht werden. Es reicht, wenn du glaubst, dass du überwacht wirst. Es reicht, wenn du glaubst, dass die Möglichkeit besteht, dass du eventuell überwacht wirst.«
    Wir steigen die Treppenstufen zu unserer Wohnung hinauf.
    »Das ist also nur eine Kameraattrappe?«, fragt das Känguru und deutet auf eine weitere Kamera, die auf unsere Haustür und auf die vom Pinguin gerichtet ist.
    »Könnte sein«, sage ich.
    »Tja«, sagt das Känguru und holt einen Farbbeutel aus seinem Beutel. »Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.«
    »Halt, halt, halt!«, rufe ich. »Das ist doch völlig idiotisch. Das kannst du doch nicht direkt vor der Kamera machen.«
    »Wieso nicht? Du hast doch gesagt, dass das nur eine Attrappe ist.«
    »Ich habe gesagt, es könnte sein, dass das nur eine Attrappe ist.«
    »Mhm. Es reicht, wenn man glaubt, dass die Möglichkeit besteht, dass man eventuell überwacht wird, was?«
    »Na ja«, sage ich. »Außerdem Kamera hin oder her. Der Pinguin wird sich auch ohne Videoaufnahmen denken können, wer den Farbbeutel auf seine Tür geworfen hat.«
    »Aber er wird es nicht beweisen können, weil er nur eine doofe Attrappe aufgehängt hat.«
    »Wir wissen aber nicht, ob es nur eine Attrappe ist.«
    »Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.«
    PFLATSCH.
    »Nun ja«, sage ich, öffne unsere Tür und nehme die Post mit auf die Toilette. Eine Minute später stehe ich wieder im Wohnzimmer und lese dem Känguru einen Brief der Hausverwaltung vor.
    »Sehr geehrter Mieter!
    Zu Ihrer eigenen Sicherheit haben wir im Flur und im Treppenhaus automatische Überwachungskameras angebracht. Sollte Ihnen etwas Verdächtiges auffallen, melden Sie sich beim Sicherheitsdienst Cheap-Security-24.de. Die Videoaufnahmen werden sechs Monate gespeichert und können auf Antrag eingesehen werden.
    Mit freundlichen Grüßen
Ihre Hausverwaltung«
    »Du gehst Terpentin kaufen, und ich suche derweil Putzlappen und bereite Eimer mit heißem Wasser vor«, sage ich.
    »Okidoki«, sagt das Känguru und hüpft in den Flur. Plötzlich bleibt es erschreckt stehen.
    »Verdammt«, murmelt es.
    »Was ist?«, frage ich.
    Es steckt eine Pfote in seinen Beutel und zieht sie langsam wieder heraus. Die Pfote ist blau.
    »Der andere Farbbeutel ist aufgeplatzt …«

»Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien!« Benedikt XVI.
    Ich kritzle in mein Notizbuch. Das Känguru schlurft ins Wohnzimmer, ganz in Purpur, und zieht eine lange Schleppe hinter sich her.
    »Oh! Ihre Königliche Hoheit«, sage ich. »Ist der Hermelin-Mantel aus der Reinigung zurück?«
    »Das ist kein Mantel«, sagt das Känguru. »Das ist eine Profi-Kuscheldecke.«
    »Aha.«
    »Eine Decke mit Ärmeln!«
    »Soso.«
    »Gab’s im Drogeriemarkt.«
    »Eine Profi-Kuscheldecke.«
    »Die heißt so!«,

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