Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
Vom Netzwerk:
laut.
    »Ich bügle«, sagte der Mann.
    »Ja, das sehe ich«, sagte das K. »Aber warum …«
    »Ich bin zum Bügeln angestellt«, sagte der Mann, »also bügle ich.«
    »Wie ein Hund«, sagte das K. erschreckt. »Wie ein Hund!«
    Eilends verließ es das Gebäude. Es fühlte sich beobachtet, obwohl niemand es zu beachten schien. Lange drehte es Schleifen und nahm unnötige Umwege in Kauf, um Verfolger abzuschütteln, die es nicht gab. Als das K. zurück in seine Wohnung kam, riss es hastig die Tür auf.
    »War jemand hier und hat Fragen gestellt?«, verlangte das K. zu wissen, aber sein Mitbewohner sprach: »Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn.«

»Das Boot ist voll.« Noah, Sohn des Lamech 35
    Das K. war telefonisch verständigt worden, dass an diesem Tage eine kleine Untersuchung wegen seiner Registrierung stattfinden würde.
    »Ich muss Ihnen sagen, dass der erste Besuch hier eine sehr kafkaeske Erfahrung für mich war«, sagt das Känguru zu dem Mann von der Ausländerbehörde. »Darum habe ich meinen Anwalt mitgebracht.«
    Ich nicke freundlich.
    »Können Sie sich ausweisen?«, fragt der Mann das Känguru.
    »Ich dachte, das wäre Ihre Aufgabe«, sagt das Känguru. »Ich finde das ein wenig viel verlangt, dass ich mich auch noch selbst ausweisen soll.«
    »Sie wissen sicher, dass das Ministerium für Produktivität eine neue Verordnung erlassen hat, aufgrund derer alle Ausländer in eine von zwei Kategorien eingeteilt werden«, sagt der Beamte zu mir.
    »Witzig oder nicht witzig?«, frage ich.
    »Produktiv oder unproduktiv«, sagt der Mann.
    »Völlig veraltete Kategorien …«, sage ich.
    »Und je nachdem wie ich Ihr Känguru einteile …«
    »Also genau genommen ist es nicht mein Känguru«, sage ich. »Es gehört sich quasi selber.«
    »… bekommt es entweder ein P oder ein U in seinen Pass gestempelt«, fährt der Mann fort.
    »Witzig und nicht witzig finde ich irgendwie … witziger«, sage ich.
    »Sie können mich nicht abschieben!«, ruft das Känguru. »Ich habe doch einen festen Job.«
    »Ah ja?«, fragt der Mann..
    »Ah ja?«, frage ich.
    »Bei wem sind Sie denn angestellt?«, fragt der Beamte.
    »Bei ihm!«, ruft das Känguru und deutet auf mich.
    »Ah ja?«, fragt der Mann.
    »Ah ja? Äh, ja, ja!«, sage ich. »Genau. Äh. Es ist fest bei mir angestellt als … äh …«
    Ich blicke das Känguru an
    »… äh … Maskottchen«, sage ich.
    Das Känguru wendet sich mir zu, verdreht die Augen und schüttelt fast unmerklich den Kopf.
    »Als Maskottchen?«, fragt der Mann.
    »Ja, äh. Ich nehme es immer zu meinen Auftritten mit …«
    »Auftritte?«, fragt der Mann. »Ich dachte, Sie sind Anwalt.«
    »Ja, äh, Anwalt und Kleinkünstler«, sage ich. »Von der Juristerei alleine kann man ja kaum leben, und jedenfalls nehme ich das Känguru immer zu meinen Auftritten mit, und da … äh … steht es dann am Eingang und verteilt aus seinem Beutel … äh … Aufkleber … an die Leute …«
    »Aufkleber?«
    »Ja. Da steht ›Scheißverein‹ drauf«, sage ich. »Ich habe da nämlich so ein Lied geschrieben, das heißt ›Scheißverein‹, und deswegen habe …«
    »Und wozu sollen diese Aufkleber gut sein?«, fragt der Mann ungehalten.
    »Ich habe zufällig einen dabei«, sagt das Känguru, holt einen Scheißverein-Aufkleber aus seinem Beutel und klebt ihn auf den Schreibtisch des Mannes von der Ausländerbehörde.
    »Sehen Sie?«, frage ich. »Das ist ein wunderbares Beispiel für die Einsatzmöglichkeiten des Aufklebers. Jeder Aufkleber ist ein kleiner Anti-Terror-Anschlag, sage ich immer.«
    »Hier passt der Aufkleber besonders gut«, sagt das Känguru und deutet auf den »Ich wähle SV«-Button am Pullover des Mannes. »SV steht doch für Scheißverein.«
    »Nein, SV steht für Sicherheit und Verwaltung.«
    »Die Aufkleber sind so beliebt«, sage ich, »dass ich schon darüber nachgedacht habe, eine internationale Edition drucken zu lassen. Aber das ist gar nicht so einfach. Weil ›Scheißverein‹ so ein starkes Wort ist. Wenn ich das kurz demonstrieren darf …«
    Ich stehe auf und schreie: »Scheißverein!«
    Ich setze mich wieder, während das Wort noch durch die Behörde hallt.
    »Da löst sich richtig was in den Bronchien«, sage ich.
    »Das befreit total«, sagt das Känguru nickend und schreit: »Scheißverein!«
    »Probieren Sie es doch auch mal«, sage ich und rufe noch lauter: »Scheißverein!«
    Der

Weitere Kostenlose Bücher