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Das Kainsmal

Titel: Das Kainsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Toten zurückkehren.« Irgend so einen Spruch zu Ostern eben.
     
    Irene Casey: Während der Mann wartete, schnüffelte er an seiner Hand und sagte: »Du riechst genau so, wie deine Mama und deine Oma und deine Uroma gerochen haben, als sie so alt waren wie du jetzt ...« Nichts rührte sich. Nichts bellte.
    »Wenn du dieses Kind bekommst«, flüsterte er, seine Lippen auf meinen Augen, sein Mund auf meinen fest zugekniffenen Lidern, »wirst du die berühmteste Mutter der ganzen Menschheitsgeschichte ...«
    Da unten bewegte er sich wieder, presste mich ins Eis, durch das Eis in den Fluss und sagte: »Wenn du dieses Kind nicht bekommst, kehre ich zurück und mach dir ein anderes ...«
     
    Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, die verborgene Botschaft auf meinem Ei lautete: »Verpiss dich.«
     
    Irene Casey: »Ja«, sagte er und rieb sein Stoppelkinn an meinem Hals. Er sagte: »Ja. Ja. O ja.« Er sagte: »Bitte.«
    Seine Hüften stießen so hart zu, dass sich ein Riss, zwei, drei Risse im Eis unter mir bildeten. Wasser suppte hoch, Weiße Risse, die im Zickzack zum Ufer liefen.
     
    Shot Dunyun: Ich wusste nicht, warum. Aber auf meinem Ei stand: »Green Taylor Simms.«
     
    Irene Casey: Als er mich in seinen Armen hochhob, blickte der Mann nach unten und sagte: »Du blutest.« Er besah meine Hand, in der ich die Münze festhielt, so fest, dass ich mir mit dem Gold die Handfläche aufgeschnitten hatte. Die Wunde war kreisrund, oben und unten hatte sich der Rand der Münze tiefer in die Haut eingeprägt. Der Mann bog meine Finger zurück, und die Goldmünze in meinem hellroten Blut sah aus wie Weihnachten. Noch wochenlang im neuen Jahr hatte ich dort einen dunkelblauen Fleck von anno 1884.
    Und der Mann sagte: »Behalte das. Für die Reinigung deines Pullovers.«
     
    Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: Bis jetzt hatte die Crash-Party-Kultur kein Gesicht, und ich halte es für unklug, ihr eins zu geben. Das so genannte »Flashback«-Phänomen gibt es nicht. Es existieren keine unsterblichen »Historiker«. Was klingt wahrscheinlicher: dass verschiedene Leute Zeitreisen unternehmen oder dass dieser eine junge Mann verrückt geworden ist?
    Das ist eine Tatsache, und etwas anderes zu behaupten wäre außerordentlich leichtsinnig und verantwortungslos.
     
    Irene Casey: Der Mann zog seine Hose hoch. Sein Ding dampfte noch von Pisse und Blut, Spermafäden hingen daran. Er machte den Reißverschluss zu und drehte sich um. Er sah zu mir runter und sagte: »Warte, bis ich weg bin.«
    Und er ging auf dem Wasser flussaufwärts davon, bis hinter den letzten Horizont.
     
    Tina Something: Nein, die wirkliche Lüge, die wirklichen Lügner sind Echo Lawrence und Shot Dunyun, weil sie die Wahrheit wissen, sie aber nicht sagen. Man kann in die Vergangenheit reisen und dort Dinge verändern. Und sie versuchen es immer noch, jede Nacht.
     
    Irene Casey: Meine Beine waren vor dem blauen Weihnachtshimmel noch gespreizt. Mein Pullover an mehreren Stellen am Eis festgefroren. Halb betäubt, weil ich so lange die Luft angehalten hatte, sah ich, wie um mich herum durch die Risse im Eis Wasser drang. Und ich hörte, wie der Fluss ächzend und stöhnend an den Bruchstücken zerrte.
    Mein lebendiges warmes Blut: gefroren. Meine Pisse. Das Sperma dieses Mannes.
    Das Eis auf dem Fluss brach auf. Erwachte zum Leben.
     
    Tina Something: Die Mächtigen haben schon immer gewisse Ereignisse früher gesehen als wir anderen und haben Nutzen daraus gezogen. Auf diese Weise sind sie vielleicht in grauer Vorzeit überhaupt an die Macht gekommen. Aber vielleicht sind Zeitreisen auch nur auf die Neuzeit beschränkt. Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Ich weiß nur: Man tut es. Und man will nicht, dass wir es auch tun.
     
    Irene Casey: Ich liege da und lasse mich von dem Eis in die Kälte hinabziehen, und plötzlich höre ich vom Ufer eine Stimme. Im Schilf am Rand des zugefrorenen Flusses rief jemand: »Mrs. Casey?« Und: »Irene?« Und: »Mama?«
    Und ein halb nackter Junge trat aus dem Schilf, er zitterte und hatte die Arme um sich geschlungen.
    Ein blauer Papierkittel bedeckte seine Vorderseite. Ein Krankenhauskittel. Er stand da in Pantoffeln aus Pappe und sagte: »Ich habe keine Mitfahrgelegenheit gefunden.«
    Mit klappernden Zähnen sagte der Junge: »Ich komme zu spät.« Er sagte: »Komme ich zu spät?«
     
    Echo Lawrence: Das Krankenhausarmband mit seinem Namen drauf, das Chester an

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