Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Kainsmal

Titel: Das Kainsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
Vom Netzwerk:
Praeger (

Party-Crasher): Wir haben Neddys Cadillac am Ende eines Kieswegs geparkt, der zu einem weißen Holzhaus führte, Rants Haus. Um das Haus herum der Garten, wo Rant diese stinkenden Ostereier versteckt hatte, die sein Vater mit dem Rasenmäher finden sollte.
     
    Echo Lawrence: Es war mitten in der Nacht. Wir beobachteten das Haus und sahen Irenes Schatten im gelben Rechteck des Küchenfensters. Mit einer Hand hielt sie etwas auf ihrem Schoß, mit der anderen berührte sie das Ding und zuckte zurück. Und noch einmal. Was sie da tat? Sie stickte. Den Kopf gesenkt, von hinten beleuchtet. Wir beobachteten sie, bis Shot und Neddy einschliefen.
     
    Shot Dunyun: Bis Echo einschlief.
     
    Irene Casey (

Rants Mutter): Einmal schenkten mir meine Mutter und Oma Hattie zu Weihnachten einen selbst gestrickten Pullover. Das heißt, vermutlich hat Hattie ihn gestrickt, und meine Mutter hat die Stickereien gemacht. Vorne drauf waren rosa Rosen, Plattstickerei, mit Filz unterfüttert, die Stengel grün auf Kordstreifen. Sehr kompliziert. Zwischen den Rosen waren violette Immergrünblüten in Kurz- und Langstich. Und im Hintergrund verstreut so viele marineblaue Wickelstiche und kleinere Knötchenstiche, dass das weiße Garn des Pullovers fast ganz hellblau war. Und nirgendwo auch nur das kleinste Fältchen oder lose Fädchen.
    Einen solchen Pullover konnte man im Haus tragen, allenfalls noch sonntags zur Kirche. Heute sage ich mir, ich hätte ihn in einem Bilderrahmen an die Wand hängen sollen. Ein richtiges Meisterwerk.
    Ich konnte es kaum erwarten, ihn vorzuführen, aber meine Mutter sagte, ich soll nicht aus dem Haus gehen. Als dann die Familie zum Weihnachtsessen eintraf, die vielen Tanten und Onkel und Cousins und Cousinen, herrschte ein solches Gewühl, dass ich keine Mühe hatte, unbemerkt zu entwischen.
     
    Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: Zu diesem Rant Casey möchte ich eigentlich nicht viel sagen. Es ist bedauerlich genug, dass ich ihn in meine Theorie über die liminale Zeit eingeweiht habe. Darüber hinaus litt er aufgrund einer furchtbaren chronischen Krankheit an Halluzinationen und starb eines entsetzlichen Todes in dem Irrglauben, sein Tod würde ihn erlösen. Auch wenn wir ihn als Opfer und Narren darstellen, so machen wir ihn doch nur ganz unverdient zu einem Märtyrer.
     
    Irene Casey: Unten am Fluss, am Middleton River, zwischen den Bäumen, wenn ich da spazieren ging, stellte ich mir immer vor, das Rauschen des Wassers sei Verkehrslärm. Ich stellte mir vor, in einer großen Stadt zu leben, in einer lauten Stadt, wo jederzeit etwas Wunderbares geschehen könnte. Alles Mögliche. Nicht wie in Middleton, wo meine Mutter und meine Tanten bei Sonnenuntergang die Haustüren verriegelten. Unsere nächsten Nachbarn, die Elliots, wohnten eine halbe Meile entfernt, trotzdem zog meine Mutter alle Vorhänge im Haus zu, bevor sie auch nur ein einziges Licht anmachte.
    Meine Mutter und meine Tanten hatten mir immer eingeschärft, nie mit Fremden zu reden.
    Aber Fremde kamen dort niemals hin. Nicht nach Middleton.
     
    Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: Bis heute haben insgesamt vierzehn verwirrte Individuen ihr Fahrzeug in Abgründe gestürzt und sich, offenbar nach dem Vorbild Rant Caseys, auf diese Weise das Leben genommen. Persönlich nehme ich es Mr. Casey sehr übel, dass er mich als Serienvergewaltiger und Mörder hinstellt.
     
    Irene Casey: Normalerweise war es am Fluss laut und windig, nicht aber an diesem Tag. An diesem Weihnachtstag war es still. Der Fluss war zugefroren. Der Boden war so hart, dass man keine Fußspuren hinterließ. Kein Wind fegte das Laub umher oder bewegte die kahlen Zweige. Es war, als ginge man durch das Schwarzweißfoto einer Winterlandschaft, tonlos, geruchlos. Als wäre ich das einzig Lebendige, das sich da bewegte. Ich ging den Fußweg am Fluss lang, und mein Atem wehte mir voraus wie Gespenster. Die Luft war so trocken, dass alles, was ich anfasste, Funken schlug.
    Wenn ich mich richtig erinnere, müssen meine Augen sich an diesem Schwarz weiß tag sehr nach etwas Farbigem gesehnt haben, denn sie sahen schließlich etwas Goldenes aufblitzen, das man eigentlich kaum sehen konnte. Weit draußen, mitten auf dem zugefrorenen Fluss, nahmen meine Augen ein winziges Funkeln wahr.
     
    Tina Something (

Party-Crasher): Green Simms stellt Rant immer als Verrückten hin. Er gehört eben zur Elite und will nicht, dass die alte Ordnung durch irgendwas ins

Weitere Kostenlose Bücher