Das Kainsmal

mit Rant
     
    Aus dem Verkehrsfunk von Radio Graphic Traffic: Sie müssen nicht in den Himmel sehen, um zu erkennen, dass wir heute Abend Vollmond haben. Schon erreicht uns eine Meldung über einen Blechschaden auf dem Freeway 217 auf Höhe der vierzehnten Meile, wo zwei Hochzeitsgesellschaften einander mit Hochzeitstorten bewerfen. Radio Graphic Traffic, Sie hören Tina Something: Alle zehn Minuten das Neueste aus der Welt des Verkehrs ...
     
    Neddy Nelson (

Party-Crasher): Na klar werden immer noch Crash-Partys veranstaltet. Um in diesen Trancezustand zu geraten, bei dem man die besten Ideen hat. Oder vielleicht auch nur, weil die Jagd einfach Spaß macht, was weiß ich. Um Leute kennen zu lernen, mit denen man was unternehmen kann. Was weiß ich.
     
    Echo Lawrence (

Party-Crasher): Ganz ruhig. Wenn es Shot Dunyun gelingt, sich in die Vergangenheit zu versetzen, wachen wir anderen in der neuen Wirklichkeit auf, in der er zum Vater der Peak-Technologie geworden ist. Shot wird seine Ausbildung dazu benutzen, zum Thomas Edison der Neurotranskripte zu werden. Das heißt, falls er nicht alles vorher verlernt hat. Als Autor sich eine Geschichte auszudenken, ist eine Sache, aber eine ganz neue Kunstform aus dem Boden zu stampfen, ist noch mal was ganz anderes.
    Nein, sobald er in die Vergangenheit geht und den Gang der Dinge manipuliert, wachen wir anderen am nächsten Morgen vielleicht in einer Welt auf, in der es Neurotranskripte überhaupt nicht gibt. Wir sehen uns immer noch Filme an und lesen Bücher. Und dann wird Sandy, sein kleiner Mops, noch am Leben sein.
     
    Symon Praeger (

Party-Crasher): Vielleicht war Rant gar nicht so ein ... toller Typ, wie wir ihn in Erinnerung haben. Vielleicht sind alle Messiasse so entstanden: Seine Freunde prahlen mit ihm vor irgendwelchen Frauen, die sie ins Bett kriegen wollen. Man kann sich den heiligen Petrus vorstellen, wie er in einer Bar zu einem hübschen Mädchen sagt: »Klar, ich habe Jesus Christus noch gekannt. Wir waren dicke Kumpels ...«
    Vielleicht machen die Leute gar keine Zeitreisen. Vielleicht sind es immer schon Lügen dieser Art gewesen, aus denen Weltreligionen entstanden sind: Lügen, die einfach ein bisschen besser schmecken als der Gedanke an den dunklen, schwarzen, ewigen Tod. Storys, die uns anmachen. Vielleicht ist Rant einfach bloß tot.
     
    Echo Lawrence: Bedenken Sie immer, wer da spricht. Vielleicht will Shot Dunyun nur keine Konkurrenz, wenn er in die Vergangenheit reist.
     
    Shot Dunyun: Unsinn. Wenn Echo in die Vergangenheit gereist wäre, hätte sie jetzt zwei ganz normale Arme und Beine. Sie wäre gesund. Und ihre Eltern würden beide noch leben. Dann würde Echo jetzt nicht mit Sexspielzeug rummachen. Sie wäre genauso alt wie Rant oder Chester oder wie er sich heute nennt. Die beiden wären ein ganz normales, stinklangweiliges Pärchen.
     
    Echo Lawrence: Wenn Neddy es schafft, in die Vergangenheit zu gehen, wird es keine Verordnung zur effektiven und effizienten Nutzung der Infrastruktur geben. Die Leute werden leben wie die Höhlenmenschen, im Haus oder im Freien, jederzeit und wie es ihnen gerade beliebt. Keine Sperrstunden. Ein einziger kolossaler Verkehrsstau, so wie früher.
     
    Shot Dunyun: Man könnte genauso gut sagen, dass wir ständig die Vergangenheit verändern, ganz gleich, ob wir tatsächlich zurückreisen oder nicht. Ich schließe die Augen, und der Rant Casey, den ich mir vorstelle, ist ein anderer Rant als der historische Rant. Der Rant, von dem ich Ihnen erzähle, ist durch mein Gehirn gelaufen: gefiltert, gefärbt und verzerrt. Wie irgendein Transkript, das ich booste.
    Ich verändere doch dauernd die Vergangenheit, und meistens bin ich mir dessen gar nicht bewusst. Man könnte sagen, ich pfusche unablässig an Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herum.
     
    Echo Lawrence: Falls Rant das jemals hinkriegt, falls er in der Zeit zurückreisen und seine Mutter davor bewahren kann ... seine Mutter zu werden - dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass man von Rant Casey niemals etwas hören wird. Vielleicht sind er und Green beide Historiker, ohne Anfang und Ende.
     
    Shot Dunyun: Schon irre. Dann wird diese Geschichte keine Biographie, sondern ein Roman. Eine Oral-History-Dokumentation über eine Vergangenheit, die es nie gegeben hat.
    Wie den Weihnachtsmann und den Osterhasen. Noch so eine Geschichte.
     
    Bodie Carlyle (

Freund aus Kindertagen): Mein armer Kopf kommt nicht mehr mit. Die Leute sagen, Rant ist