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Das Kainsmal

Titel: Das Kainsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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gepachteten Felder, auf denen Luzerne angebaut wurde, an den Sprenklern vorbei, die - tickticktick - ihr Wasser ins grelle Sonnenlicht sprühten. Nach den Luzernefeldern kam der Horizont, gesäumt mit struppig silbernen Ölweiden. Hinter diesem Horizont kamen die Zuckerrüben. Nach den Rüben wieder ein Horizont. Jenseits davon ein Stacheldrahtzaun, massenhaft belagert von Steppenhexen, die alle da hineinwollten. Kondome und Binden, gefüllt mit Sperma und Blut von ganz Middleton, wehten flappend hin und her.
    Dahinter noch ein Horizont. Drei Horizonte von den Caseys entfernt, kam man in die Wüste. Diese Wanderungen mit dem Ziel, von Tieren gebissen zu werden, nannte Rant »Angeln gehen«.
     
    Irene Casey (

Rants Mutter): Die Sache mit den Feuerameisen hätte uns skeptisch machen müssen. Immer wenn Buster nach Hause kam, waren seine Hände und Füße mit dem roten Ausschlag von Ameisenbissen übersät. Andere Kinder wären heulend angerannt gekommen, Rant machte sich nicht mehr draus als aus Hitzepickeln.
     
    Bodie Carlyle: Seine Eltern haben ja nur das Wenigste mitbekommen. In der Schule schob Rant seine Ärmel hoch und zeigte uns die einzelnen Bisse: Rote Feuerameise, Feldwinkelspinne, Skorpion.
    »Wieder ein bisschen mehr geimpft«, pflegte Rant zu sagen.
    In der neunten Klasse brauchte Rant einmal nicht am Freitagsspiel im Völkerball gegen die Zwölftklässler teilzunehmen, weil ihn gerade eine Klapperschlange gebissen hatte. Während wir anderen haushoch geschlagen wurden, zog Rant eine Sportsocke aus und zeigte dem Sportlehrer seinen dicken roten Fuß. Aus den zwei Bisslöchern quoll eine klare Flüssigkeit, die man für Gift halten musste.
    Unter uns nannten wir das seine Impfung gegen Völkerball.
    Schmerz war für Rant der erste Horizont. Gift der zweite. Und Krankheit war bloß der Horizont dahinter.
     
    Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms (

Historiker): Nur etwa fünf Prozent der Menschen, die von einer Schwarzen Witwe gebissen werden, sterben. Eine Stunde nach dem Biss hat sich ein a-Latrotoxin genanntes Nervengift im gesamten Lymphsystem des Opfers ausgebreitet. Die Bauchmuskulatur verkrampft sich und wird hart wie ein Brett. Dazu können Erbrechen und Schweißausbrüche kommen.
    Ein weiteres häufiges Symptom ist der Priapismus. Wir haben es praktisch mit einem Naturheilmittel gegen erektile Dysfunktion zu tun. Rant hat es seinen Eltern nie erzählt, aber an jenem Ostersonntag hatte er zum ersten Mal eine Erektion. Sex und Insektengift waren für seine kindliche Psyche von da an nicht mehr auseinanderzudenken.
     
    Echo Lawrence (

Party-Crasher): Das ist das Geheimnis von Rants Schlangensucht. Selbst in der Stadt musste er immer erst eine Schwarze Witwe oder eine Braune Einsiedlerspinne finden, bevor mit ihm irgendetwas anzufangen war. »Nachimpfung« nannte er das.
    Es ist wirklich nicht zur Nachahmung empfohlen, aber man bekommt davon einen Ständer, der stundenlang hart bleibt. Sozusagen auf Bestellung, und dick wie ein Schaltknüppel. Ein bisschen Kalziumgluconat, und alles wird wieder normal.
     
    Sheriff Bacon Carlyle (

Feind aus Kindertagen): Rant Casey ließ sich beißen wegen des Kicks. Gift war seine Droge. Davon wurde er high. Ein echt süchtiger Süchtiger ist anders als normale Leute. Ich bin Gesetzeshüter, ich weiß, wovon ich rede. Und Sie haben noch längst nicht alles gehört. Es ist unfassbar, was er alles angestellt hat, um sich zuzudröhnen.
     
    Bodie Carlyle: Wie soll ich das wissen? Ich habe nie kapiert, was daran so toll sein soll. Während andere Kinder Benzin oder Bastelleim schnüffelten, lag Rant irgendwo in der Wüste flach auf dem Bauch neben einem Beifußstrauch. Die anderen Kinder wollten der Realität entfliehen, aber Rant wollte sich auf die Realität vorbereiten.
    Die Dunkelheit dieser Erdlöcher, der Felsspalten und Hohlräume: Rant fürchtete sich vor ihr, wie er sich vor der Zukunft fürchtete. Und nachdem er seine Hände da reingesteckt hatte und nicht daran gestorben war, war die Angst gleich nicht mehr so groß. Er krempelte ein Hosenbein auf. Er hockte in der Wüste und schob den nackten Fuß in einen Kojotenbau, ganz langsam, so wie andere Leute mit dem großen Zeh das Badewasser prüfen. Ob es zu heiß oder zu kalt ist. Und so saß er dann da, mit den Händen im Sand abgestützt, die Augen fest geschlossen, holte tief Luft und hielt dann den Atem an.
    Und unten, am Grund eines solchen Erdlochs, saß dann ein Stinktier, ein Waschbär,

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