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Das Kainsmal

Titel: Das Kainsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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ein Kojoteweibchen mit Jungen, eine Klapperschlange. Weiches Fell oder glatte Schuppen, warm oder kühl, und dann - zack - schnappten Zähne zu, und durch Rants Bein ging ein heftiges Zittern. Und nie zuckte er zurück, wie es die meisten Menschen wohl tun würden, was aber die Wunde, wenn die Zähne nicht loslassen, nur vergrößert. Nein, Rant wartete, bis das Maul ihn freigab. Womöglich ein zweites Mal zubiss. Die Zähne tief in sein Fleisch schlug. Losließ. Schon nicht mehr interessiert. Warmer Atem an seinen Zehen. Eine feuchte Zunge, die unter der Erde sein Blut ableckte.
    Wenn er dann den Fuß aus dem Loch zog, klaffte eine Wunde in seiner Haut, aber sie war sauber abgeleckt. Aus der sauberen Wunde rann - tropf, tropf tropf - reines Blut. Seine Pupillen weiteten sich zu großen schwarzen Löchern, und Rant zog den anderen Schuh und Strumpf aus, krempelte das Hosenbein auf und schob den anderen Fuß in die dunkle Höhle, um zu sehen, was passieren würde.
    Den ganzen Sommer über waren Rants Hände und Füße wund und schartig und blutig. Biss folgte auf Biss. Rant trainierte für etwas Großes, Furchteinflößendes, und mit jeder neuen Dosis Gift impfte er sich gegen die Angst. Was auch immer die Zukunft bringen mochte, was immer ihn erwartete, am Arbeitsplatz, in der Ehe, beim Militär, es konnte nur besser sein als ein Kojote, der an seinem Fuß herumkaute.
     
    Echo Lawrence: Also echt. An dem Abend, als ich Rant Casey kennen lernte, sitzen wir beim Italiener, und er sagt: »Schon mal von einer Schlange gebissen worden?«
    Er trägt ein Jackett, so dass man die Verwüstungen an seinem Arm nicht sieht.
    Als sei das mein Fehler, macht er sich über mich lustig und sagt: »Nicht zu fassen, wie hast du es geschafft, so alt zu werden, ohne je von einem Stinktier angespritzt worden zu sein ...«
    Als sei ich wer weiß wie behütet aufgewachsen.
    Rant schüttelt seufzend den Kopf und betrachtet eine Weile seine Spaghetti. Dann sieht er mich schräg von der Seite an und sagt: »Wenn du noch nie Tollwut gehabt hast, hast du noch nicht gelebt.«
    Der hat vielleicht Nerven. Führt sich auf wie der letzte Schamane.
    Aber nicht mit einer Dreigangschaltung am Lenkrad zurechtkommen.
    Und bis zu diesem Abend hatte er noch nie Ravioli gesehen.
     
    Dr. David Schmidt (

Arzt in Middleton): Der kleine Mistkerl, dieser Casey-Junge, er wartete erst, bis sich Symptome zeigten, bevor er seinen Eltern erzählte, dass er gebissen worden war. Die Erreger der Tollwut finden sich im Speichel eines infizierten Tiers. Jeder Biss, aber auch jedes Lecken kann die Krankheit übertragen. Ist man infiziert, verbreitet sich das Virus durchs zentrale Nervensystem, es wandert das Rückenmark hinauf ins Gehirn und reproduziert sich dort. Das Frühstadium der Erkrankung heißt »Eklipse«, weil sich noch keine Symptome zeigen. Der Erkrankte ist bereits extrem ansteckend, fühlt sich aber noch völlig gesund.
    Die Eklipse kann wenige Tage oder mehrere Jahre andauern. Und während der ganzen Zeit kann man andere mit seinem Speichel infizieren.
     
    Bodie Carlyle: Statt Peaks zu boosten, wollte Rant lieber angeln gehen. Er pflegte zu sagen: »Mein Leben mag unbedeutend und langweilig sein, aber immerhin gehört es mir - es ist kein Leben vom Fließband oder aus zweiter Hand.«
     
    Symon Praeger (

Party-Crasher): Sich von einer Klapperschlange beißen lassen, das ist ziemlich vorsintflutlich.
     
    Dr. David Schmidt: Das Schlimme daran war, dass Buster Casey ein sehr beliebter Junge war. Anders ist das nicht zu erklären. In den vergangenen zehn Jahren hatten wir sechs mit Tollwut infizierte männliche Personen in Behandlung. Wobei es sich in allen sechs Fällen um Buster selbst gehandelt hat. Andererseits hatten wir siebenundvierzig infizierte weibliche Personen, in der Mehrzahl Mitschülerinnen von ihm, sowie zwei Lehrerinnen von seiner Schule. Von diesen siebenundvierzig ließen drei eine Abtreibung vornehmen, nachdem sie etwa um dieselbe Zeit von namentlich nicht genannten Männern geschwängert worden waren.
     
    LouAnn Perry: Wie man es auch betrachtet, Buster war eine echte Gefahr, wenn wir Flaschendrehen spielten.
     
    Polk Perry (

Nachbar aus der Kindheit): Rant Casey hatte mehr als sein halbes Leben lang die Tollwut. Wenn man die ganze Zeit mit solchen Viren im Kopf rumrennt, muss man ja verrückt werden. Trotzdem gibt es viele Leute, auf die Verrückte sehr anziehend wirken.
     
    LouAnn Perry: Geschwängert hat Buster mich nicht,

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