Das Kainsmal
zurück nach Middleton.«
Irene Casey (
Rants Mutter): Sobald einer in Middleton den Mund aufmacht, muss man fragen: »Warum erzählst du mir das?«
Symon Praeger (
Party-Crasher): Echt verrückt. Aber die letzten Worte, die Rants Alter ihm nachrief, als Rant ihm durchs Busfenster winkt, Chet Caseys letzte Worte waren: »Finde die Wahrheit heraus und komm zurück, vielleicht kannst du deine Mutter davor bewahren, dass dieser total durchgedrehte Irre über sie herfällt ...«
Echo Lawrence: Chester Casey hakt seine Daumen vorne in den Gürtel seiner Jeans und sagt: »Denk nicht zuviel darüber nach. Das alles wird erst verständlich, wenn es, nun ja, fast zu spät ist.«
Rants Vater schreit: »Es schmerzt mich. Ich werde dich nie wiedersehen.«
15
Transkripte
Symon Praeger (
Party-Crasher): Dämlicher geht's wirklich nicht. Das ist hier eindeutig der beste Verleih aller Zeiten, und das einzige, was geht, ist Linie Beckys Spaziergang an einem warmen Frühlingstag. Der reine Schrott, Wohlfühlschrott. Den ganzen Tag kommen hier irgendwelche Idioten rein und wollen sich so einen Mist ausleihen. Ich bin in dieses Geschäft eingestiegen, weil ich Transkripte über alles liebe, schon seit meiner Kindheit, aber das hier macht mich echt fertig. Dämlicher geht's wirklich nicht.
Acht Stunden am Tag verleihe ich Sachen wie Linie Becky sucht Muscheln am Strand. Meterware, und alle sind scharf drauf. Behaupten, es sei für ihre Kinder, aber das ist gelogen. Diese fetten Vierziger, diese Vollidioten, die wollen bloß ein bisschen die Zeit totschlagen. Ja nichts Düsteres oder Ausgeflipptes oder Provokantes. Und schon gar nicht was künstlerisch Anspruchsvolles.
Hauptsache, es hat ein Happy End.
Eine Liebesgeschichte, durchs rosarote Hirn irgendwelcher Leute gesiebt.
Was die Leute erleben, ist bloß die digitalisierte Aufzeichnung eines Neurotranskripts, also eine Aufzeichnung aller sensorischen Reize, die ein Zeuge erlebt, wenn er zum Beispiel eine Kürbislaterne schnitzt oder die Tour de France gewinnt. »Peaks« nennen es die Leute, Highlights aus dem Leben anderer Menschen, künstlich verstärkt, »geboostet« eben. »Zeuge« ist die offizielle Bezeichnung für den primären Teilnehmer. Die berühmteste Zeugin ist Little Becky, aber das heißt noch lange nicht, dass sie die beste ist. Little Becky ist bloß hirntot genug, um bei der Masse Anklang zu finden. Ihre Neurochemie produziert angenehme, niemals ins Extreme lappende, softballweiche Peaks. Landpartien. Valentinstag. Scheißweihnachten.
Sie ist das, was früher Filmstars waren. Ein Vehikel, um endlich mal was zu erleben. Little Becky hat einfach ein freundliches Wesen, den idealen Serotoninspiegel, den optimalen Mix aus I-Dopamin und Endorphinen.
Und wenn ich ehrlich sein soll, ich habe diese neue Technologie allmählich mehr als satt.
Und Sie können mir glauben, ich habe mir nicht eben wenige Transkripte reingezogen. Man nimmt zum Beispiel Little Beckys Halloween-Kürbisparty, wird Zeuge, aber jetzt auf Acid. Das heißt, man stöpselt sich ein und wählt alle fünf Tracks: Tastsinn, Gehör, Geruch, Sehen und Schmecken. Dann wirft man Acid ein. Und gleichzeitig startet man die Aufzeichnung für ein Transkript der Erlebnisse, die man auf der Kürbisparty hat, während man auf Acid ist.
Dann zieht man sich dieses Transkript rein, geboostet mit einem Menschen mit fötalem Alkoholsyndrom.
Und das daraus resultierende Transkript boostet man mit einem Hund, sagen wir einem Schäferhund, und die Aufzeichnung ist dann tatsächlich brauchbar. Ohne Scheiß. Ziemlich aufwendig, aber der Peak ist die Mühe wert. Aber wenn man so was im Laden anbietet, murren die Leute bloß rum. Nicht zu fassen.
Tatsache ist: Das Zielpublikum dieser Industrie besteht aus nichts als Schwachsinnigen.
Als Little Beckys fröhliche Schatzsuche in den Laden kam, standen die Idioten um den ganzen Block herum Schlange. Ungefähr fünfzehnhundert Kopien sind wir da losgeworden.
Das Regal, wo draufsteht »Von unseren Mitarbeitern empfohlen«, das ist schon ganz verstaubt. Kein Mensch will meine Lieblings-Peaks boosten. Ich habe da Sachen wie Im Krieg erschossen werden oder Letzte Lebensminuten:An Bord der berühmtesten Unglücksmaschinen. Ich liebe dieses Zeug. Meine Lieblingsszene ist die, wo ein Zeuge mit der Aufzeichnung seines Transkripts startet, kurz bevor die Maschine explodiert. Im selben Moment, wo die Aufzeichnung beginnt, kann man das Kerosin riechen, bevor
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