Das Kainsmal
Kanzleiangestellte, Priester, Lehrer, Platzanweiser, Erdarbeiter, Unitarier, Lkw-Fahrer, Bowlingspieler, Menschen. Im Innern dieser lackierten Karossen aus Blech und Glas sind immer Leute, die genauso weich und verängstigt sind wie man selbst.
Shot Dunyun: Auf Mitleidstour gab Rant sich immer Mühe, den anderen nicht zu hart anzustoßen. Eine Beule hier. Eine Delle da. Eher Küsse als Treffer. Ich weiß noch, wie er eines Tages sagte, ihm sei das Geld ausgegangen, er könne kein neues Auto mehr anschaffen. Er sagte, das Auto, das wir jetzt fahren, dieser Caddy, muss noch für eine große Baumnacht reichen.
Echo Lawrence: Als ich vorhin sagte, ich hätte Rant bei mir »auf der Rückbank« mitfahren lassen, war das kein Euphemismus.
Neddy Nelson: Wissen Sie eigentlich, wie großartig Rant war? Was er getan hat, als die mich kurz vor der Sperrstunde bei mir zu Hause abgesetzt haben? Hat man Ihnen erzählt, dass Rant mir eine Goldmünze zuwarf und sagte: »Für deinen nächsten Wagen ...«? Können Sie sich meine Überraschung vorstellen, als mir der Münzhändler für diesen 1884er Liberty-Head-Dollar zehn Riesen angeboten hat? Hat es jemals einen so großzügigen Burschen gegeben? Meinen Sie, ohne Rant Casey hätte ich so schnell wieder ein anderes Auto fahren können?
Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: Das war, nehme ich an, der klägliche Rest von Rant Caseys Zahnfee-Vermögen.
Echo Lawrence: Als Shot »Rabies« sagte, habe ich »Babys« verstanden und gedacht, er meint, ich kriege ein Kind. Das Testergebnis war Gott sei Dank negativ, aber ich habe ja wohl auch nicht den richtigen Test machen lassen.
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Baumnacht
Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms (
Historiker): Nach reiflicher Überlegung haben wir uns entschlossen, einen echten Baum zu nehmen. Wir entschieden uns für eine Edeltanne. Geschmückt mit blauen Lämpchen, an der Spitze ein leuchtender blauer Stern. Auf dem Dach des Cadillac Seville sah der Baum aus wie ein blauer Komet: der große Stern vor der Windschutzscheibe, dahinter der Schweif aus Hunderten grellblauer Funken.
Neddy Nelson (
Party-Crasher): Halten Sie mich ruhig für bekloppt, aber wissen Sie, was das Beste an den Crash-Partys ist, warum sie so phantastisch sind? Weil sie wie ein Schalter funktionieren. Verstehen Sie? Ein Lichtschalter, den man einfach umlegt, zack. Wenn zu Hause die Mutter herumzetert und einen als faulen Sack beschimpft, wenn man wieder mal seinen Job verloren hat, während bei deinen alten Schulfreunden natürlich alles in Butter ist, und man hat nicht mal eine Freundin - verstehen Sie? Man ist total matschig in der Birne, aber dann rattert plötzlich, wie aus dem Nichts - rumms! - einer in dich rein, und es geht dir im nächsten Moment besser. Verstehen Sie? Das ist wie ein Geschenk, wenn einer dich anfährt. Man klettert zitternd und geschockt aus dem Auto. Wie ein Baby, das gerade geboren wird. Verstehen Sie? Das ist wie eine entspannende Massage, die gerade mal eine halbe Sekunde lang gedauert hat. Verstehen Sie, was ich meine?
Solche Crash-Partys wirken wie Elektroschocks gegen Depressionen.
Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: In der Nacht, als Rant starb, trug er ein blaues Jeanshemd, das jemand sehr aufwendig, wenngleich wenig kunstfertig mit zahlreichen Regenbögen und Blüten bestickt hatte. Ein ziemlicher Kontrast zu seinem üblichen blauen Overall, der immer nach Insektiziden stank. Ich glaube mich an violette Akeleien zu erinnern - oder eine ähnliche einheimische Pflanzenart -, die um den Kragen herum gestickt waren. Auf der Brusttasche, über seinem Herzen, war eine smaragdgrüne Hummel zu sehen, die Nektar aus einer gelben Narzisse saugte.
Lew Terry (
Vermieter): Caseys Wohnung habe ich sonst nur noch ein einziges Mal betreten, als ich in den Keller musste, um die Recyclingtonnen zu reinigen, und in der Weißglastonne die Gläser entdeckte, die ich in seinem Schrank gesehen hatte, jetzt allerdings leer. Keine Spinnen. Die Gläserdeckel hatte Casey mit Namen beschriftet, »Dorry«, »June« und so weiter. Auf jedem Glas ein Mädchenname.
Die Kammerjägerfirma, bei der Casey arbeitete, sagte mir, man habe ihm gekündigt. Er habe das Ungeziefer nicht getötet, sondern eher umgesiedelt. In solchen Fällen, wenn es um die Gesundheit der anderen Mieter geht, ist es mir erlaubt, meinen Generalschlüssel zu benutzen, um nach dem Rechten zu sehen. Die Wohnung war ausgeräumt, nur
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