Das Kairos-Prinzip: So finden Sie den richtigen Zeitpunkt für den beruflichen Wechsel
Berufungsfalle. Die beiden anderen Talente wandelte ich erfolgreich in Kompetenzen um und lebe sie heute in meinem Beruf, den ich auch als Berufung bezeichnen kann.
Wie aber war es mit der Berufungsfalle? Zunächst lebte die Fee des Bewegungstalents als intensives Hobby in meinem Leben, erst in der Leichtathletik und später auch im Tanz. Dann brachte sie mich dazu, dass ich mit Anfang zwanzig mein damaliges erstes Studium der Geschichte und Journalistik abbrach, um eine Berufsausbildung als Tanzpädagogin zu absolvieren. Es war einfach zu verlockend. Ich war »eigentlich nur so« zur Aufnahmeprüfung gegangen. Dann sagte die Lehrerin: »Du hast Talent! Wir würden dich nehmen«, und ich konnte nicht widerstehen. Meine Eltern zeigten sich verständnisvoll und dachten, wie vielleicht auch ich selbst, dass ich mein Studium ja auch danach fortsetzen könnte. Das aber sollte dann noch Jahre dauern, mein Weg verlief anders. Während der Tanzausbildung machte mich die gute Fee Bewegungstalent dann mit ihrer bösen Stiefschwester bekannt, mit Namen Schmerz: Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Muskelschmerzen. Schmerz und Tanz sind ein Paar, das zusammengehört, das wissen alle Tänzer. Aber leidenschaftliche Tänzer machen sich nichts daraus. Sie gehen damit um, wie man mit schlechtem Wetter umgeht, man zieht sich halt entsprechend an.
Als bei mir aber der Tanz vom Hobby zum Beruf wurde, war es mit der Bewegungsfreude vorbei. Ich wurde unglücklich und noch dazu fühlte ich mich im Anschluss an die Ausbildung in dem Beruf der Tanzpädagogin unwohl und auch unfähig! Obwohl ich pädagogisches Talent hatte, das sahen auch meine Ausbilderinnen, war das Medium Tanz als pädagogisches Vehikel für mich wie ein Schuh, der nicht passte. Mein Hauptausdrucksmittel war immer der Intellekt mit Sprache und Schreiben gewesen, und als Tanzpädagogin war ich mit einem Mal so sehr auf die körperliche Ebene reduziert. Einmal hörte ich eine Kollegin von mir, die nur wenig mehr Berufserfahrung als ich hatte, über ihre Arbeit reden. Sie sprach so begeistert, selbstbewusst und leidenschaftlich darüber, als wenn sie Pina Bausch persönlich wäre. Da merkte ich: Das kannst du nie. Ich zweifelte einfach daran, dass ich in diesem Metier jemals gut, geschweige denn sehr gut oder meisterlich sein würde.
Nach einem quälenden ersten Berufsjahr als Tanzpädagogin fand ich schließlich den Ausweg. Ich ergatterte (übrigens per Initiativbewerbung) eine Stelle als Volontärin bei einer Tanz- und Theaterzeitschrift. Das war Kairos: das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun. Meiner Begeisterung für Tanz im Schreiben Ausdruck zu geben, in Interviews und Reportagen Menschen zu begegnen, war genau »mein Ding«. Natürlich war ich auch beim Schreiben nicht sofort eine Meisterin. Aber ich zweifelte nie ernsthaft daran, dass ich es einmal sein würde. Jetzt war ich wieder ganz in meinem Element.
Und es wurde noch besser, als ich später noch mein drittes Talent integrieren konnte, die Leidenschaft für die Seele des Menschen und für Berufswege. Nach meinem Psychologiestudium ging ich dann zunächst »in die Lehre« und arbeitete in einem Konzern als Personalentwicklerin. Im nächsten Syntheseschritt fand ich in der Rolle als Coach und als Autorin über psychologische Themen meine Erfüllung – Sie können es auch Berufung nennen. Es fühlt sich zwar ganz unspektakulär an, aber es ist eben das, was ich am besten kann, und das ist einfach ein gutes Gefühl.
Was war der zentrale Unterschied bei meinen drei Talenten, zwischen Berufung und Berufungsfalle? Sowohl beim Schreiben als auch beim Start meiner Coachingtätigkeit hatte ich von Anfang an das Gefühl: Das kann ich. Oder: Das werde ich können! Und ich war bereit, Opfer dafür zu bringen. Beim Schreiben kam hinzu, dass ich bereits seit meinem 16. Lebensjahr journalistisch bezahlt gearbeitet hatte. Das erste erfolgreiche Buchprojekt war ein weiterer wichtiger Meilenstein. Ohne Opfer ging es dennoch nicht: zeitweise Selbstzweifel, ständige Schulterverspannungen und dann eine böse Sehnenscheidenentzündung – doch was immer das Hindernis war, ich war darauf ausgerichtet, eine Lösung zu finden. Dauerhaft gezweifelt aber, ob ich Schreiben und Coachen will und kann, habe ich nie. Ganz anders, als es als Tanzpädagogin der Fall war.
Hätte ich mir die Berufungsfalle als Tanzpädagogin nicht sparen können? Wenn ich damals einen KAIROS-Karrierecoach an meiner Seite gehabt hätte, sicher. Dann hätte
Weitere Kostenlose Bücher