Das kalte Gift der Rache
seinen Arm um meine Schultern und stolperte mit ihm zum Rücksitz des Wagens. Ich mühte mich ab und schob mit aller Kraft, bis er endlich auf dem Sitz lag. Der Explorer steckte mitten in einer Schneewehe, und ich kämpfte mich um das Fahrzeug herum zur Fahrerseite und startete, riss das Lenkrad mal in die eine, dann in die andere Richtung, bis die Räder schließlich griffen. Der Explorer schoss rückwärts auf den Asphaltbelag der Straße. Ich hörte hinter mir, wie Bud stöhnte und sich übergab. Ich wischte mir das Blut aus den Augen und trat das Gaspedal voll durch. Dann rief ich noch einmal die Zentrale und bat sie, an den Rettungswagen durchzugeben, dass wir ihnen bereits entgegenkamen.
Knappe zehn Minuten später tauchte ein Fahrzeug mit Blaulicht vor mir auf, und ich schlitterte auf eine Anhöhe, als der Rettungswagen auch schon neben mir vorfuhr. Zwei Sanitäter kamen auf mich zu, als ich herauskroch und die hintere Tür aufriss. Sie legten Bud auf eine Trage, und ich packte das verbliebene Teil der Schlange und hielt es hoch.
»Das ist sie, irgendeine Klapperschlange, aber ich weiß nicht welche. Habt ihr das Gegengift dabei? Schnell, er braucht es dringend, bitte.« Ich schrie. Ich konnte mich hören, schrill, panikartig, hinaushallend bis zu den verschneiten Zedern beiderseits der Straße.
»Ja, wir haben’s dabei. Das ist eine Waldklapperschlange. Was zum Teufel macht die denn draußen im Winter? Was ist mit Ihnen? Diese Kopfwunde sieht übel aus. Wurden Sie auch gebissen?«
»Nein, nur Bud. Mein Kopf schlug durch den Aufprall auf das Lenkrad.«
Ich half ihnen, Bud ins Auto zu bringen, und stieg dann mit ein. Den Explorer ließ ich mitten in der Landschaft stehen. Der Rettungswagen preschte mit einem U-Turn und heulender Sirene los, während ich den Sanitätern bei der Arbeit zusah. Ich hielt mich seitlich an dem schwankenden Gefährt fest, mein Blick auf Buds entstelltes Gesicht gerichtet, das bereits schwarz-blau angelaufen und grotesk verschwollen war. Und ich wusste genau, dass nun dasselbe Programm ablief wie schon so oft zuvor. Menschen in meinem Umfeld kamen zu Schaden und starben, Menschen, die mir am Herzen lagen. Ich dachte, das wäre vorbei nach den Geschehnissen im letzten Sommer, aber dem war nicht so. Alles begann wieder von vorne. Bud könnte sterben, und sollte das der Fall sein, dann wäre wie immer ich daran schuld.
Dunkle Engel
Seit jener Zeit hatten Gabriel und Uriel richtig viel Spaß gehabt. Bis etwas Schreckliches passierte. Gabriels Vater beschloss plötzlich, er wäre von Gott dazu berufen, über das Meer nach Uganda zu fahren und den dortigen Heiden das Evangelium zu predigen. Gabriel wollte nicht fortgehen, und Uriel hatte schreckliche Angst, seinen einzigen Freund zu verlieren.
Aber alles ging gut aus, denn Gabriel konnte seinen Vater dazu überreden, ihn an dieser besonderen Schule draußen in den Wäldern arbeiten zu lassen. Sie nannte sich Begabtenakademie Höhlensystem. Gabriels gute Noten und seine Tätigkeit im Krankenhaus ermöglichten es ihm, dort schnell Fuß zu fassen, und es war ja immerhin nur für so lange, bis sein Vater genug Afrikaner bekehrt haben und nach Hause zurückkehren würde.
Gabriel verschaffte Uriel ebenfalls einen Job an dieser Schule, für die Zeit nachmittags nach der High School. Ungefähr zu dieser Zeit töteten sie Uriels Großmutter mit einer Überdosis und ließen sie danach einfach in ihrem Bett liegen, bis sich ihr Körper auflöste. Kein Mensch erfuhr jemals davon, denn sie hatte so zurückgezogen gelebt, dass sie nie jemand besuchte. Es war so einfach. Ihr gesamtes himmlisches Treiben war sehr einfach, weil es auf Gottes Willen hin geschah.
Beiden gefiel es an der Akademie wirklich sehr gut, weil dort so viele hübsche Mädchen waren und Gabriel seine Drogen von jemandem bezog, der dort arbeitete. Es entwickelte sich alles hervorragend für alle Beteiligten.
Bis zu jenem Tag, an dem Uriel auf ein besonderes Mädchen traf, seine erste richtige Freundin. Sie besuchte ebenfalls die Akademie und war wirklich sehr nett zu ihm. Sie war auf eine burschikose Art hübsch, und an einem Sommerabend kam sie mit ins Autokino. Sie trug eine rosafarbene Bluse, dazu einen weißen Denimrock und weiße Sandalen; in ihre blonden Haare hatte sie sich rosa-weiß gestreifte Schleifen gesteckt. Uriel fand, sie sah wirklich hübsch aus. Er nahm sie in seinem Lieferwagen mit, und nach dem Film fuhr Uriel mit ihr zu einem abgelegenen Waldweg in der
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