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Das kalte Gift der Rache

Das kalte Gift der Rache

Titel: Das kalte Gift der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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waren sowieso schon längst da. Vielleicht schon auf der Autobahn, schwups, ab in den Himmel, im Handumdrehen, so steht es in der Bibel. Und ich hab gehört, die Engel haschen die Seelen immer schon kurz vor einem Unfall aus dem Körper, damit sie nicht so viel leiden müssen.«
    »Wirklich? An den Unfall erinnere ich mich kaum, nur daran, wie ich im Krankenhaus aufgewacht bin.«
    »Ja, so ist es. Mach dir also darüber keine Sorgen mehr. Die Bibel ist wirklich cool. Mein Dad hat mich schon darin lesen lassen, da war ich noch viel kleiner als du. Ich bring dir einiges bei, jetzt, da du mein besonderer Freund bist. Willst du mit rauskommen in den Wald zu meinem Geheimversteck? Außer mir ist da noch niemand gewesen, aber ich zeig’s dir, wenn du hoch und heilig versprichst, keiner Menschenseele davon zu erzählen. Deine Großmutter hat sicher nichts dagegen, wenn ich dich erst zurückbringe, kurz bevor es dunkel wird. Aber du musst versprechen, dass du mein Freund bist und niemandem meine Geheimnisse verrätst, auch meinem Vater nicht oder deiner Großmutter. Versprochen?«
    »Versprochen. Ich erzähle nie jemandem irgendetwas über dich. Auch du bist mein besonderer Freund.«
    »Gut. Also los, komm jetzt, wir sagen deiner Großmutter, wo wir hingehen, und dann zeig ich dir ein paar ganz coole Sachen.«
    Als er zu dem schönen blonden Jungen hinaufsah, war er sich sicher, dass dies ein göttliches Wesen war, wirklich der Erzengel Gabriel, der einfach niemandem sagen durfte, wer er war. Er hatte ihn davor gerettet, dass diese Tyrannen ihn lebendig begraben, oder nicht? Das musste der Erzengel Gabriel sein, und dieser Engel hatte sich ihn als besonderen Freund ausgesucht. Zum ersten Mal seit dem Tod seiner Familie lächelte er und empfand Hoffnung.

4
    Es war weit nach elf Uhr, als ich auf die Wache zurückkam, wo mich mein schwarzer Ford Explorer erwartete. Für meine Verabredung mit Black war ich mehr als ein paar Stunden zu spät dran, aber vielleicht würde er darüber hinwegsehen. Er war selbst ein viel beschäftigter Mann und an meine unregelmäßige Arbeitszeit längst gewöhnt, und er hatte Verständnis dafür, dass mir mein Job wichtiger war als unser Techtelmechtel. Wir hatten uns für neun Uhr bei mir zu Hause verabredet, und er hatte keinen Schlüssel, stand also möglicherweise draußen, frierend und fuchsteufelswild.
    Im trüben Licht der Scheinwerfer rieselte der Schnee in großen weißen Flocken herunter und verbreitete eine ruhige, friedliche Stimmung wie auf der Weihnachtskarte, die ich neulich von meinem Versicherungsagenten bekommen hatte. Aber das war nur eine Illusion. Überall rund um den Ozarks-See geschahen Verbrechen, selbst jetzt, in dieser kalten Winternacht. Still und heimlich lauerte die Gewalt in den finstersten Ecken, und irgendwo in einer dieser Ecken steckte nun möglicherweise Simon Classon tief in der Klemme.
    Shaggy und seine Kollegen von der Spurensuche hatten kaum neues Beweismaterial gefunden, aber Haare und Blutproben befanden sich auf dem Weg ins Labor, und sie würden mich informieren, sobald die Ergebnisse vorlagen. Ich hatte schon versucht, die Begabtenakademie Höhlensystem zu kontaktieren, übrigens der dümmste Name, der mir je untergekommen war, hatte aber nur mehr den Pförtner erreicht, einen gewissen Willie Vines, der mir die Nummer des Direktors der Schule, Dr. G. Richard Johnstone, gab. Der Herr Direktor war zu Hause in seiner Wohnung auf dem Campus und schien aufrichtig überrascht über die Nachricht von Classons Verschwinden. Er sagte, Classon hätte in der letzten Woche Urlaub gehabt, sodass sein Fehlen niemandem aufgefallen war. Classon sei der für Angelologie zuständige Kollege und unterrichte das Fach Hierarchie von Engeln, Seraphim und Cherubim. Bud sagte, für ihn klinge das wie Kurse über Seeigel.
    Jedenfalls wirkte Johnston entsprechend besorgt, kündigte eine gründliche Durchsuchung der Schule an und meldete zwanzig Minuten später telefonisch, dass auf dem gesamten Campus keine Spur von ihrem Chefangelologen zu finden sei. An dem Punkt hatten Bud und ich entschieden, dass es für den Rest des Tages für uns nichts mehr zu tun gab, nicht bei den heftigen Schneefällen, die nun über dem See einsetzten.
    Es war also fast Mitternacht, als ich in die Schotterstraße einbog, die zu meinem kleinen Häuschen mit seinen bis zur Erde geneigten Dachflächen führte. Mein Freund Harve Lester hatte mich dort die letzten paar Jahre mietfrei wohnen lassen, weil

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