Das kalte Gift der Rache
wir bei der Polizei von L.A. so gut zusammengearbeitet hatten, ehe er von einer Kugel getroffen wurde und von der Hüfte an abwärts gelähmt war. Ich versuchte, möglichst wenig daran zu denken, weil ich schuld daran war. Er lebt in einem alten Haus, das er von seiner Großmutter geerbt hat; es liegt etwa achthundert Meter vor meinem Haus, und als ich daran vorbeifuhr, sah ich ihn am Fenster sitzen. Manchmal hielt er so nach mir Ausschau, nur um sich zu vergewissern, dass ich sicher nach Hause gekommen war. Er winkte mir zu, und ich blinkte zur Antwort mit den Scheinwerfern. Wenn ich nicht so spät dran wäre, würde ich kurz auf ein Bier bei ihm haltmachen.
Wenig später nahm ich die letzte Kurve und erblickte mein Haus. Ich trat derart heftig auf die Bremse, dass mein Explorer auf der schneeglatten Straße seitlich wegschlitterte und den Schnee von einer ganzen Reihe von Büschen fegte. Ich traute meinen Augen nicht, als ich durch den nassen Schnee sah, der gegen meine Windschutzscheibe klatschte. Ich wischte mit der Hand über die Scheibe und sah noch mal genauer hin. Einen Moment noch, Mann, ich konnte es gar nicht fassen. Dann sah ich Black aus der großen verglasten Eingangsveranda meines Hauses heraus und über die Zufahrtsstraße direkt auf mich zukommen. Das Problem war nur, dass ich überhaupt keine große verglaste Eingangsveranda an meinem Haus hatte. Jedenfalls noch nicht heute Morgen, als ich losfuhr.
Black trug Levi’s, einen schwarzen Kaschmirpulli unter einer braunen Wildlederjacke und wuchtige schwarze Snowboots, ein Relikt aus seinem letzten Skiurlaub in Gstaad. Das liegt in der Schweiz. Ich hab ihn extra noch gefragt. Normalerweise trägt er feinste Anzüge aus irgendeinem seltenen Yakhaar, maßgeschneidert in Hongkong, aber heute Abend schneite es, und er hatte modemäßig abgespeckt. Er bedeutete mir, in die Garage neben der riesengroßen verglasten Eingangsveranda zu fahren. Die Garage hatte es heute Morgen auch noch nicht gegeben.
Ich steuerte meinen SUV hinein, schaltete den Motor ab, und dann stand Black schon neben mir und öffnete die Tür. Habe ich schon erwähnt, dass er trotz seines Reichtums und der schicken Klamotten ein Gentleman der alten Schule ist?
»Frohe Weihnachten, Morgan.« Er sprach mich neuerdings so an, weil er meine Gewohnheit, ihn Black zu nennen, so gar nicht mochte. Manchmal nannte er mich auch Claire, meist wenn wir im Bett und ziemlich außer Atem waren.
»Wie kommst du dazu?« Das war in dem Moment vielleicht nicht gerade die angemessene Reaktion, mag sein, aber ich war völlig überrumpelt.
»Harve. Er meinte, es könnte dir gefallen, war sich aber nicht sicher, was den Überraschungseffekt betrifft.«
»Ich hasse Überraschungen.«
»Ich nicht. Komm, ich zeig dir alles.« Dann sah er meine blau angeschwollene Wange. »Was zum Teufel ist denn da passiert?«
»Nichts. Nur eine Begegnung mit einem Kriminellen.«
»Du lieber Himmel, Claire, es ist dein erster Tag.«
»Tja, so was passiert nun mal.«
»Aber wie? Hat das ein Arzt gesehen?«
»Vergiss es. Ist doch nur eine kleine Beule.« Dann stieg ich aus, sah mich in der Garage um und wechselte geschickt das Thema. »Was für eine Anmaßung, mein Haus ohne Erlaubnis komplett umzubauen.«
Black lächelte nur und nahm meine Hand. »Es wird dir sicher gefallen, glaub mir.«
Er führte mich zu einer weißen Tür, die, wie ich annahm, in den neuen verglasten Wintergarten führte. Als er einen Knopf neben der Tür drückte, glitt hinter uns die Garagentür mit einem leisen, effizienten Schnurren nach unten. Hey, das bedeutete, von nun an kein Eiskratzen mehr, halleluja und danket dem Herrn. Plötzlich war ich schon sehr viel dankbarer. Ich lächelte auch und war fast ein bisschen überdreht, peinlich.
»Wie um alles in der Welt hast du das so schnell hingekriegt? Mann, ich bin um sieben Uhr morgens weggefahren.«
»Ja, in der Tat erstaunlich, was zwanzig Zimmerer, fünf Elektriker und vier Klempner alle so schaffen, wenn du sie bar auf die Hand gut bezahlst. Außerdem hast du mir den lange versprochenen Haustürschlüssel noch nicht gegeben. Da hab ich noch ’ne Haustür besorgt, für die ich schon einen Schlüssel habe.«
»Okay, ich geb’s zu. Ziemlich cool.«
Black lächelte, und ich lächelte zurück. Da fiel mir was ein. Das Buch, das ich für ihn besorgt hatte, würde ziemlich mickrig aussehen, selbst mit einer großen roten Schleife darauf. Ich konnte es schon hören: Was hat Black dir denn zu
Weitere Kostenlose Bücher