Das kalte Gift der Rache
in Streit geraten. Oder die Konkurrenz hat Classon zur Warnung um die Ecke gebracht.«
»Drogendealer warnen nicht mittels Spinnen.«
»Und wie sieht’s mit der kolumbianischen Krawatte aus?«
»Ein Schnitt durch die Kehle ist ratzfatz passiert. Aber hier hat sich jemand sehr viel Mühe gemacht.«
»Der Killer ist also ein Sadist?«
»Darauf kannst du Gift nehmen.«
Wir fanden den Hausmeister, wie er gerade die Cafeteria wischte. Er sah viel jünger aus, als ich erwartet hätte, eher wie die Studenten, die lachend und schwatzend an der Theke anstanden. Bud hatte mittlerweile die Angelologie-Teilnehmerliste bei Christie abgeholt. Der Gegenprobe zufolge dieselben Studenten, die auch Heidentum belegt hatten. Wir würden sie alle vernehmen müssen, aber zunächst galt unser Interesse Willie Vines.
»Mr Vines?«
Vines drehte sich erschrocken um. Dann lächelte er. »Kommt selten vor, dass jemand Mister sagt. Jedenfalls hier.«
Er sah recht gut aus, hatte dichtes blondes Haar, das hier und da in kleinen Ringellöckchen widerspenstig abstand. Wenn sie länger wären, würde er aussehen wie Shirley Temple mit zehn. Die blauen, leicht blutunterlaufenen Augen waren hellwach und beobachten genau, wie ich uns beide vorstellte. Sein Lächeln war so strahlendweiß wie das Wetter draußen. Benutzte denn heutzutage jeder diese Aufhellerstreifen?
»Es geht um Mr Classon, stimmt’s?«
»Ja. Wir vernehmen die gesamte Belegschaft sowie alle Dozenten.«
»Hat ihn also nun doch jemand erwischt, hm?«
»So ist es. Und wir sind hier, um herauszufinden, wer.«
»Glauben Sie, dass ich es gewesen bin?«
»Das können wir zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, Mr Vines. Wir versuchen zu verstehen, wer hier draußen was macht.«
»In meinen Augen war er ein fieser Typ, aber ich würde ihm nie was antun.«
»Warum nehmen wir nicht Platz? Da drüben in der Ecke vielleicht? Können Sie ein paar Minuten für uns erübrigen?«
Er lehnte seinen Wischmopp an die Wand. »Ich glaub schon. Aber ich krieg Ärger mit dem Direktor, wenn ich hier nutzlos rumhänge.«
»Das nehm ich auf meine Kappe. Ein gewisses Entgegenkommen wird von allen hier erwartet. Wie wär’s mit einer Limo und einem Cheeseburger, während wir uns unterhalten? Auf meine Rechnung.«
»Gern doch. Danke.«
»Für mich auch, Bud.«
Willie Vines folgte mir an einen Tisch in der äußersten Ecke. Er wirkte verängstigt, aber irgendwie doch auch erfreut. »Eigentlich dürfte ich hier gar nicht sitzen. In manchen Häusern darf ich nicht mal an den Trinkwasserbrunnen. Auch nicht im Sommer, wenn es stickig heiß ist.«
»Klingt so, als würden Sie für einen Haufen Vollidioten arbeiten.«
Willie fuhr sich mit den Fingern über seinen dünnen blonden Schnurrbart. Seine Blicke wanderten umher, und mir fiel auf, dass er ständig über einen braunen Fleck auf der Stirn strich, ein Muttermal vielleicht? »Richtig. Alles Vollidioten. Besonders Dr. Johnstone.«
»Übrigens, Willie, es ist okay, wenn ich dich Willie nenne, oder?«
Er nickte geistesgegenwärtig und wachsam. Ging ’ne Menge vor hinter dieser ruhigen Fassade.
»Wir haben gerade mit Mr Rowland gesprochen. Er sagt, du würdest die Gebäude jeden Abend kontrollieren. Stimmt das?«
»Ja, Ma’am.«
»Hat er in der vorletzten Nacht in seinem Büro übernachtet?«
Willie nickte. »Hat er, ja. Den Ausgang in der Nähe seines Büros kontrolliere ich meistens mehrmals pro Nacht. Da war noch Licht, und ich hab kurz reingeschaut, um zu sehen, warum er so spät noch da war.«
»Überprüfst du jeden Abend alle Ausgänge auf dem Campus?«
»Meistens schaffe ich es nicht vor dem Abendessen, ungefähr gegen halb fünf, dann mache ich hier drinnen sauber und kontrolliere die Türen, nachdem alle im Bett sind.«
»Ich nehme an, du hast keine verdächtigen Beobachtungen in der Tatnacht gemacht?«
»Wann war das noch mal?«
»Ist dir an irgendeinem Abend der vergangenen Woche was aufgefallen? Etwas, das dir verdächtig vorkam?«
»Nein, Ma’am. Es waren einfach alle nur froh, dass Mr Classon im Urlaub war.«
»Klingt nicht so, als hättest du ihn besonders gemocht.«
Willie drehte an einem schwarzen Onyxring an seiner rechten Hand; er trug die Initiale W und war so ein Ring, wie sie junge Männer früher ihren Mädchen geschenkt hatten. Willie war nun nervös. »Nein, Ma’am. Er war nicht sehr nett zu den Leuten.«
Bud erschien mit einem Tablett voller Fastfood. »Mann, ist das billig hier. Alles zusammen nur fünf
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