Das kalte Gift der Rache
uns alles zu bereitwillig. Ich erwartete nicht, dass wir fündig würden.
Sein Büro befand sich hinten im Gang neben der Essensausgabe. Er ging uns voraus, und Bud und ich folgten ihm in einen Raum mit zwei Schreibtischen jeweils links und rechts an einer Wand. Über jedem hing eine Pinnwand. Bud nahm Willies Seite, während ich zu Wilma Hartes Platz ging. An ihrer Pinnwand hingen zwei Filmplakate sowie eine Auflistung aller Spiele der St. Louis Cardinals dieses Jahres und, in einer Ecke, ein Farbfoto. Das größere Plakat zeigte den schicken Pinhead mit den Nägeln im Kopf aus dem Film Hellraiser. Mir sind Männer ohne Nägel im Kopf lieber, aber jedem das Seine. Wobei mir durchaus Typen über den Weg gelaufen sind, bei denen ich gern einen Hammer zur Hand gehabt hätte.
Auf dem anderen Plakat ging es um den Film Scream – Der Schrei. Ich hatte den Film einmal bei Bud zu Hause gesehen, aber im Vergleich zu meinen eigenen Albträumen konnte er nicht mithalten, und so war ich davon nicht sonderlich beeindruckt. Das Foto jedoch nahm ich herunter und sah es mir an. Darauf lächelte Willie zusammen mit einem Mädchen, in der Cafeteria auf Wischmopps gestützt, in die Kamera. Die offizielle Hausmeisterpose zweifelsohne.
»Ist das Wilma mit dir auf dem Foto?«
Willie stand abseits mit einer Schulter gegen die Wand gelehnt, von wo aus er uns gelassen bei der Arbeit zusah. Mr Sucht-dochwo-ihr-wollt-aber-ihr-werdet-nichts-finden. Er sagte: »Ja, es wurde am ersten Tag des Schuljahrs aufgenommen. Schade, dass sie nicht mehr hier ist. Sie fehlt mir so sehr.«
Ich betrachtete Wilma Hartes Gesicht. Es entsprach ziemlich genau der Beschreibung von Maxine Knight: Sie war recht stämmig und kräftig und trug ein knallrosa Poloshirt, und ihre dunkelroten Haare waren zu Zöpfen geflochten, deren Enden eine gelbe Schleife zierte. Mit ihren vielen Sommersprossen glich sie eher Pippi Langstrumpf und hatte so gar nichts Gothic-Ähnliches. Weit und breit kein schwarzer Lippenstift und keine Teufelstattoos in Sicht. Vielleicht aber kleidete sie sich ja auch nur ab und an als Gothic.
Ich durchsuchte Wilmas Schreibtisch, fand aber nichts außer den üblichen Büroklammern, Gummibändern, leeren Tintenschreibern und gelben Post-its. In Willies Schreibtisch fand Bud so ziemlich das Gleiche. Weit und breit keine Spur von Koks, Ecstasy oder der Braunen Einsiedlerspinne. Allem Anschein nach war Willie nichts vorzuwerfen, jedenfalls bis wir einen Grund finden würden, mit einem Durchsuchungsbefehl erneut aufzukreuzen. Dann dürften wir auch hinter den Belüftungsschlitzen und unter den Deckenplatten nachsehen. Willie Vines Unterarme, die er mit noch mehr unschuldiger Begeisterung präsentierte, wiesen ebenfalls keinerlei verdächtige Spuren auf. Somit bedankten wir uns höflich bei ihm und ließen ihn seinen Wischmopp holen. Wenigstens einen kostenlosen Cheeseburger hatte ihm die Prozedur eingebracht.
Der Erzengel Gabriel
Nachdem Freddy unter der Erde war, sprachen Gabriel und Uriel lange Zeit kein Wort über ihn. Uriels Großmutter erbat Gottes Segen für Freddy und seine Mutter, wenn sie mit Uriel allabendlich auf Knien betete, gleich nachdem sie Uriels eigene Familie erwähnt hatte. Sie bat den Herrn immer, Uriels Mama und Papa mögen sich um Freddy kümmern. Diese Gebete mochte Uriel nicht. Dass ein so böser Junge wie Freddy mit seiner netten Familie zu tun hatte, missfiel ihm, und wenn er später für sich allein betete, bat er sie, nicht mit Freddy im Himmel zu sprechen, weil dieser Uriel ins Grab geschubst hatte. Sie würden seine Bitten erhören, das wusste er.
Einmal statteten sie Freddys Familie mit Großmutters berühmtem Marmorkuchen einen Besuch ab; Freddys Mutter weinte unablässig und sagte, sie sei schuld an dem Unglück mit den Hornissen, und dass sie es nicht begreifen könnte. Auch Freddys großer Bruder war dabei. Er wirkte zornig und wild und behauptete, er habe an jenem Abend ein Motorrad gehört. Das machte Uriel Angst, und er legte die Hände aufs Gesicht und tat so, als würde er weinen, sodass er allen leidtat und seine Großmutter ihn nach Hause brachte.
Später am Nachmittag traf er sich mit Gabriel in der geheimen Höhle und berichtete ihm, was Freddys Bruder gesagt hatte. »Vergiss es. Uns hat niemand gesehen, er kann nichts beweisen.«
Danach blieben sie noch lange Zeit in der Höhle, und Uriel erfuhr noch mehr über Insekten, vor allem aber über Spinnen. Er verbrachte gern jede freie Minute mit Gabriel
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