Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan

Vom Netzwerk:

darauf vor, den Anker zu lichten. Überall Panik vor der Pest, und ich mit einem kranken Mann in meiner Obhut. Dies war das erste Schiff, tatsächlich sogar das einzige Schiff, das ich dazu überreden konnte, uns an Bord zu nehmen. Sein Bestimmungsort war wirklich die letzte meiner Sorgen.«
    Ringil nickte zu dem näherkommenden Treibgut hinüber. »Und Ihr habt genügend Zeit für Umwege.«
    Quilien räkelte sich träge an der Reling, eine Hüfte vorgeschoben. Sie neigte den Kopf und bedachte ihn mit einem Lächeln von der Seite. »Nun gut, Sir, ich gestehe, ich bin hoffnungslos süchtig nach Geheimnissen und Heldengeschichten. Ihr und Eure Klinge vom schwarzen Volk, und jetzt, auf derselben Fahrt, eine treibende Kräuterinsel des Echsenvolks? Wer könnte sich so etwas nicht ansehen wollen?«
    Er dachte daran zu sagen: Jemand, der es schon früher gesehen hat. Jemand, der dem Echsenvolk etwas näher gekommen ist als in Tralala-Geschichten nach dem Essen.
    Stattdessen ließ er ihre Frage im Raum stehen, und sie sahen schweigend zu, wie das Schiff näher an das Treibgut heran manövrierte. Ringil entdeckte die gezackten Spalten und Löcher
in dem Gebilde, die jetzt mit Meerwasser gefüllt waren, das im Wiegen der Wellen hin- und herschwappte und herauslief. Es war mehr oder weniger das, was er erwartet hatte, aber er spürte dennoch seine Anspannung verfliegen wie die letzten Überreste eines Katers.
    Sie vielleicht auch. »Also, das ist harmlos?«
    »Ja.« Er zeigte über die Reling hinaus, und alte Erinnerungen schwappten umher wie das Wasser. »Ihr könnt erkennen, wo der Drache sich hinausgekämpft hat – dieses lange, ausgefranste Loch ziemlich weit vorn, die Teile, die hin und her schlagen, wenn die Dünung darauf trifft. Der Drache kommt als Erster. Er ist wie ein Vogelweibchen, das seine Brut beschützt. Dann gibt es ein paar Hundert kleinere Öffnungen weiter hinten, wo anschließend die Sklaven der Reptilien und die höheren Ränge des schuppigen Volks hervorkommen. Gleich darauf fängt das ganze Floß an zu verrotten. Es verliert einiges an Masse, und am Ende trägt es die Strömung hinaus aufs Meer. Das Ding treibt wahrscheinlich bereits seit den frühen 50ern herum.«
    »Ihr habt wirklich eines dieser Untiere getötet?« Sie beobachtete ihn jetzt scharf, wie er wusste. »Mit dieser Klinge, die Ihr da tragt? Na ja, das ist bemerkenswert.«
    »Vermutlich. Wie gesagt, ich hatte Hilfe.«
    »Selbst dann. Seid Ihr nicht stolz darauf?«
    Ringil verzog das Gesicht. »Wenn Ihr einige der anderen Dinge gesehen hättet, die ich mit dieser Klinge angestellt habe, wäret Ihr von meinen Heldentaten vielleicht weniger fasziniert.«
    »Oder auch doch.«
    Rieb sie sich tatsächlich an seiner Hüfte? Ringil wandte sich zu ihr um, begegnete ihrem Blick und sah den Speichel auf ihren Zähnen glänzen, als sie grinste.

    »Mylady, ich weiß nicht so recht, wie ich Euch das freundlich beibringen soll, also versuche ich es erst gar nicht. Ihr verschwendet Eure Zeit bei mir.«
    »Wirklich?« Das Grinsen war immer noch vorhanden. »Ihr seid rasch dabei mit einem Urteil.«
    Seufzend drückte sich Ringil Daumen und Zeigefinger an die Augen. Würde er diese Wahnsinnige wirklich bumsen müssen, bevor sie den Hafen erreichten?
    »Bitte erachtet mich nicht als undankbar, Mylady. Es ist einfach so, das ich nicht geschaffen bin, Eure Art zu befriedigen.«
    »Vielleicht schätzt ihr falsch ein, was ich für eine Art bin.«
    Es lag eine Schärfe in den Worten, der seinen Blick wieder zu ihrem zurückzog. Sie stand jetzt mit ernstem Gesicht etwas weiter von ihm entfernt. Hatte zwei dünne Krinzanzzigaretten irgendwo aus den Falten ihres grauen Umhangs hervorgeholt und hielt sie hoch wie ein Zimmermannslehrling, der seinem Meister Nägel anreicht.
    Genau das, was du brauchst, Gil. Gerade das Fieber überwunden.
    Dennoch nahm er eine. Er bemerkte, dass dieser Joint von einem Kenner gerollt war, und wartete aus Höflichkeit, während sie sich den anderen zwischen die Lippen steckte. Ein bis dato unauffälliger Kammerdiener, etwas gebeugt, huschte von irgendwo heran und hielt eine Lampe mit niedrigem Docht an die Zigarette, bis sie brannte. In dem flackernden Schein lag etwas merkwürdig Unbewegliches in ihren Zügen, als wäre ihr ganzes Gesicht auf einmal eine hohle Porzellanmaske, ohne etwas anderes dahinter als Dunkelheit. Der Diener wandte sich ab, ein verzerrter Schatten an der Grenze des Lichts, und bot ihm die Flamme an. Ringil