Das kalte Schwert
glauben?«
Dakovash stolzierte am Rande seiner Erinnerung umher. Er unterdrückte einen Schauder.
»Sagen wir es so: Ich stehe dem dunklen Hof indifferent gegenüber, Lady Quilien. Ich erbitte nichts von ihm und erwarte im Gegenzug dasselbe. Wie dem auch sei, ob er nun existiert oder nicht, ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich solche
Wesen mit einem kleinen Frachtschiff und dessen schmierigem, Sprüche klopfendem Kapitän abgeben würden.« Er winkte zu dem dunkler werdenden Drachentreibgut auf der anderen Seite der Reling hinüber. »Und ich glaube, dass Ihr dort wahrscheinlich den wahren Ursprung von Legenden wie der von der Eiligen Dämmerung vor Euch habt.«
»Dann verspürt Ihr nicht die Notwendigkeit …« Das Entzücken war nach wie vor da. »… Dankgebete an irgendeinen vom Hof zu richten? Wegen Eures Entkommens aus Hinerion vor der Quarantäne, meine ich.«
»Ich würde sagen, dass ich einzig und allein Euch zu Dank verpflichtet bin, Mylady.« Knurrig. Es gefiel ihm nicht, in jemandes Schuld zu stehen. »Ihr seid anscheinend in dieser Sache meine Retterin. Obwohl ich etwas verständnislos dastehe, den genauen …«
»Ja, ich weiß. Ihr müsst verwirrt sein.« Aus dem Augenwinkel glaubte er zu sehen, wie ein kleines Lächeln ihre Lippen umspielte. »Das Letzte, woran Ihr Euch schließlich erinnert, ist, an Bord eines Schiffs mit schwarzen Segeln zu sein, bemannt mit Leichen.«
Bei diesen Worten fuhr er zu ihr herum. Winzige, eisige Finger im Nacken. Sie erwiderte ausdruckslos seinen Blick.
»Zumindest habt Ihr irgendwann zwischendrin etwas vor Euch hingemurmelt, während ich über Euch gewacht habe. Der Schiffsarzt sagt, es muss im Delirium gewesen sein. Als wir Euch fanden, hattet Ihr hohes Fieber. Einige befürchteten, es war die Pest.«
»Ich auch. Dann stehe ich zweifach in Eurer Schuld, weil Ihr mich aus Hinerion herausgeschafft habt.«
»Ich hätte Euch schwerlich so dort zurücklassen können – auf einem Haufen Netze liegend, nach billigem Schnaps stinkend,
allein. Ihr habt geglaubt, Ihr könntet die Pest vielleicht durch Trinken vertreiben? War das der Plan?«
»Ich habe mir gedacht, vielleicht könnte ich mich zu Tode trinken.«
»Welcher Ehrgeiz! Und das von einem Drachentöter.« Nun lächelte sie gewiss, aber verstohlen und irgendwie um die Augen herum, in sich gekehrt. »Auch etwas irregeleitet, da es jetzt so aussieht, als hättet Ihr am Ende gar nicht die Pest gehabt. Oder zumindest sehe ich keine Möglichkeit, abgesehen von einem göttlichen Eingriff, wie sich ein Mann so rasch und so vollständig von einer solchen Seuche erholt haben könnte. Ihr vielleicht?«
»Es erscheint tatsächlich bemerkenswert«, sagte er tonlos.
Quilien schnaubte auf eine sehr undamenhafte Weise. »Nein. Bemerkenswert ist, dass Ihr nicht bereits bis aufs letzte Hemd ausgeraubt wart, als wir Euch fanden. Bemerkensweit ist, dass Ihr ungeachtet Eures augenscheinlichen Desinteresses an Eurem eigenen Wohlergehen immer noch besessen seid von dieser prächtigen Klinge in Eurem Besitz.«
Wenn sie flirtete, war es ungeschickt, und Ringil wollte einfach keine angemessene Erwiderung einfallen. Auch gefiel ihm die Vorstellung nicht sonderlich, dass alles, woran er sich aus den grauen Orten erinnerte, ein Fiebertraum gewesen war. Er wusste, dass die Erinnerung schließlich verblassen würde – Seethlaw hatte spekuliert, dies sei die einzige Möglichkeit, wie Menschen mit den unbeschränkten Möglichkeiten in den aldrainischen Sümpfen zurechtkommen könnten, ohne darüber wahnsinnig zu werden –, aber Ringil hielt nach wie vor starrsinnig eine Unterscheidung zwischen Traum und Wirklichkeit aufrecht. Hjel als zärtliche, jedoch verblassende Erinnerung war etwas, womit er leben konnte, Hjel als Teil seiner aus dem Fieber
geborenen Fantasie und seines Verlangens war wesentlich weniger erträglich. Er schob den Gedanken beiseite. Beschäftigte sich stattdessen mit den gegenwärtigen Ereignissen.
»Darf ich Euch fragen, Mylady, welches unser Ziel ist?«
»Oh, Yhelteth.« Sie zeigte zum Horizont, als könnten die Lichter der großen Stadt jeden Augenblick dort auftauchen und den Himmel mit einem blassgelben Schimmer bemalen. »Meiner endgültigen Absicht kommt das ziemlich weit entgegen, aber in Wirklichkeit blieb auch keine großartige andere Wahl. Ich traf am Hafen ein und sah die Gunst der Sumpfkönigin weit draußen auf See, ohne mich, und die Hälfte der anderen Schiffe am Kai bereitete sich
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