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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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herzukommen?«
    »Imarana, hör zu …«
    »Ich habe gesagt, vierzehn Tage! Geht das so schwer in deinen dicken Majak-Schädel? Er ist immer noch hier, er hat immer noch verdammten Fronturlaub!«
    »Aber nicht in diesem Bett.« Der Schimpfname Majak hatte Egar getroffen . Außerhalb von Bettspielen hatte sie ihn nie so genannt. »Hat nicht lange gebraucht, seine ehelichten Pflichten zu erledigen und sich dann anderweitig zu beschäftigen, nicht wahr? Welches Bordell war es deiner Ansicht nach diesmal?«
    Diese Worte brachten sie wie eine Ohrfeige zum Stehen. Sie holte tief Luft, und die feinen aristokratischen Nasenflügel blähten sich dabei. Sie zog den Morgenmantel fester um sich, als wäre die Temperatur im Zimmer plötzlich gefallen. Ihre Stimme wurde kalt und ruhig.
    »Ich habe keine Ahnung, Egar. Überhaupt keine Ahnung. In Wahrheit ist es wahrscheinlicher, dass er bei einer seiner
Mätressen ist. Er wird genügend Bordellfleisch auf seinem Feldzug gehabt haben.« Ein kleines, freudloses Lächeln. »Also. Sollten wir beide jetzt schockiert sein, nachdem es zur Sprache gekommen ist?«
    »Ich wäre nicht hergekommen, wenn ich eine andere Wahl gehabt hätte.«
    Imrana warf dem Mädchen einen Blick zu. »Wirklich? In dieser ganzen Stadt findest du wirklich keinen anderen Ort für einen Dreier?«
    »Es ist nicht …«
    »Was ist mit deiner wunderschönen schwarzhäutigen Gönnerin? Wie ich höre, mag sie es so, also könntest du sie vielleicht überreden …«
    »Halt endlich mal die Klappe, Frau! Ich bin nicht zum Ficken hergekommen!«
    Die Echos jagten einander kurz rund ums Zimmer und verloren sich dann in den schweren schwarzen Vorhängen und kostspieligen Wandbehängen. Imrana starrte ihn an. In der darauffolgenden stillen Atempause bemerkte er, dass das, was ihn wirklich schmerzte, ihre Meinung war, die jäh durch dieses ungeplante und spontane Treffen bloßgelegt wurde. Sie schwankte durch seine Erinnerungen wie ein betrunkener Strolch über einen Kräutermarkt, der kleine Reihen von Krügen und Töpfen ebenso herunterwarf und zertrampelte wie die kunstvoll arrangierten wohl duftenden Säcke. Rülpsen, Fluchen und Stolpern, Zerschlagen, Verschütten. Alles, was er wertgeschätzt hatte, kehrte sich in seinem Kopf um – er sah es geschehen wie die Einnahme einer hübschen kleinen Hügelstadt. Ein dickschädeliger grober Barbar mit großem Schwanz – war das alles, was er in ihren Augen je gewesen war? Oder lag es an der Reihe von Jahren, die sie voneinander trennte? Hatten die verstrichene Zeit
und das Alter ihnen beiden das angetan, waren sie deswegen kälter und distanzierter geworden, verstrickt in die eigenen Affären, und griffen sie deswegen voller Furcht nach allem, was ihnen geblieben war? Er ließ die Gedanken zurückschweifen und versuchte, sich zu erinnern. Entdeckte, dass er’s nicht konnte. Entdeckte, dass er’s nicht wollte.
    Plötzlich schmerzten ihn seine Wunden. Plötzlich kam er sich alt vor.
    Vielleicht spürte sie es auch. Vielleicht las sie ihm die Verletzung vom Gesicht ab. Sie kehrte zum Bett zurück und setzte sich auf die Kante. Unbewusste Eleganz in der Ausrichtung ihrer Beine, in den Armen, die links und rechts neben ihr auf die Matratze drückten, in der Abwärtsneigung des Kopfs und der Art und Weise, wie ihr das Haar nach vorn fiel und das Gesicht verschleierte. Sie fasste die Enden der Bänder an ihrem Morgenmantel, spielte damit herum. Schaute mit einem frischen Lächeln auf, das ihn mitten in die Brust stach.
    »Aber fast hättest du mich gefickt, Eg«, sagte sie ruhig. »Wo du gerade hier bist.«
    »Na ja, das war nicht geplant«, knurrte er.
    »Nein, vielleicht nicht. Und entschuldige bitte, dass ich laut geworden bin, aber du musst das einsehen, Egar. Saril und ich haben das durchgesprochen. Ich übersehe seine Affären, und er glaubt entweder ehrlich, dass ich keusch bin, oder es macht ihm nichts weiter aus, solange ich nur den Schein wahre. Es funktioniert, es ist zivilisiert. Du …«
    »Ich bin nicht zivilisiert. Ja, kapiert.«
    »Das habe ich nicht gemeint.« Erneut warf sie Nil einen Blick zu und sah das Mädchen anscheinend zum ersten Mal richtig. Ein weiteres Lächeln, eines, das er nicht deuten konnte, flackerte ihr übers Gesicht. »Sie ist süß, Eg, aber sie ist schmutzig. Und
sie kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Wo auf Erden hast du sie her?«
    »Das ist eine lange Geschichte.« Immer noch die Spur eines Knurrens in der Stimme. »Wenn du sie

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