Das kalte Schwert
schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Räusperte sich mit eunuchenhafter Grazie.
»Mylord, jetzt ist wirklich keine ideale Zeit für einen Besuch. Da Ihr zweifelsohne nicht wisst …«
»Ist er da?«
»Nein, Mylord.«
»Und sie?«
Brinag seufzte. »Ja, Mylord.«
»Wie ich mir gedacht habe. Dann bringst du mich besser zu ihr.«
»Sehr wohl.« Der Eunuch ließ einen kalten Blick über Nil gleiten. »Und das ist?«
»Ein Geschenk«, erklärte ihm Egar knapp. »Brin, wir verschwenden Zeit.«
Der Ausdruck auf dem Gesicht des Eunuchen, soweit im Schein der Kerze zu erkennen, ließ darauf schließen, dass das in seinen Augen das geringste ihrer Probleme war. Aber er enthielt sich jeglichen weiteren Kommentars. Er führte sie durch den Zierkräutergarten und die dekorative eiserne Wendeltreppe hinauf in die Küche. Durch Räume mit hohen Decken weitere Treppen hinauf und geschmackvoll tapezierte und mit Teppichen ausgelegte Flure der oberen Stockwerke entlang zum meerwärts gelegenen Flügel des Hauses. Unterwegs nickte Brinag den Sklaven und Dienern knapp zu und tauschte irgendwann seine Kerze gegen eine Laterne ein.
»Wenn dieser Besuch ans Licht kommt«, brummelte er, »dann …«
»Dann bin ich irgendwie über die Mauer gekommen. Bloß mal wieder ein majakischer Eindringling in den Harem, und du weißt nichts davon. Genauso wie immer. Können wir diesen Leute vertrauen?«
»Ich kann ihnen insofern vertrauen, dass sie nicht gern ausgepeitscht werden möchten«, erwiderte Brinag mürrisch. »Das wird vermutlich reichen müssen.«
Er führte sie ins Hauptschlafzimmer. Eigentlich wenig überraschend, da Imrana gelinde gesagt keine Frühaufsteherin und die Dämmerung noch eine Weile entfernt war. Eben in der Kneipe hätte Egar den gesamten Inhalt seiner Börse darauf verwettet, dass sie sich genau in diesem Raum aufhielte. Nicht ganz so viel
hätte er auf den Aufenthaltsort von Großoffizier Saril Ashant gesetzt, aber er kannte die Beziehung gut genug, um auf die Abwesenheit des Ehemannes zu hoffen. Er war schon größere Risiken eingegangen.
Brinag klopfte entschuldigend an den Zimmertüren, hielt eine Hand hoch, damit sie still blieben, und klopfte erneut. Wartete. Klopfte lauter.
Eine gedämpfte, stöhnende Salve aus Flüchen aus dem Zimmer. Der Eunuch warf Egar einen düsteren Blick zu. Er öffnete eine Tür einen Spaltbreit und schlüpfte hindurch. Drehte sich um und hielt mahnend einen Finger hoch.
»Wartet hier!«
Die Tür schloss sich mit einem kurzen Klicken, und sie standen in der Düsternis. Dahinter Gemurmel von Stimmen, zuerst Brins, gefolgt von einer schläfrigen Erwiderung, die mit jedem Wort lauter und weniger schläfrig wurde. Egar schnitt eine Grimasse. Dann hörte das Gespräch auf, hängengeblieben an irgendeiner Zacke wütender Ungläubigkeit. Lange Stille, schließlich weiteres Gemurmel. Brins Schritte zurück zur Tür. Sie öffnete sich, und der Eunuch schlüpfte heraus. Ausdruckslos ließ er den Blick über die beiden gleiten.
»Lady Imrana möchte Euch jetzt empfangen«, sagte er. »Geht bitte hinein!«
Sie war aufgestanden und zog gerade einen Morgenrock aus Leinen fest um sich, während sie näherkam. Lady Imrana Nemaldath Amdarian, das lange schwarze Haar anmutig zerzaust, das Gesicht, das es umrahmte, knochig und hart, sogar im freundlichen Schein der Lampen, die Brinag für sie entzündet hatte, bevor er herausgekommen war. Sämtliche besänftigende Effekte der Kosmetika, die sie später auflegen würde, wären erforderlich, um diesem Gesicht das Befehlshaberische zu nehmen
und es wesentlich weiblicher zu gestalten, sodass es besser zu dem passen würde, wie sie unterhalb ihres Halses aussah. Imrana war nach yheltethischen Maßstäben üppig gebaut, trotz des fortgeschrittenen Alters, die Brüste in den eng anliegenden Falten der Robe waren voll und schwer, und die Hüften schwangen, während sie barfuß über die Fliesen auf ihn zustolzierte. Und wenn sich der Ärger so auf ihrem Gesicht zeigte, scharlachrote brennende Flecken auf den Wangen, Mann, dann spürte er das Verlangen nach ihr stärker als …
»Hast du deinen verfickten Verstand verloren, Egar?« Die Obszönität war wie eine Pflaume in ihrem gepflegten Mund. Und wie stets bekam er einen Steifen, einfach nur beim Anhören dieser weltgewandten, höfischen, kehligen Stimme, die die Sprache eines skaranakisches Milchmädchen verwendete. »Bist du völlig übergeschnappt? Einfach so
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