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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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hören möchtest.«
    »Natürlich möchte ich sie hören. Hör zu, ich lasse sie waschen, und wir reden. In Ordnung?«
    Es war fast, als sähe man einem Ritter zu, der in Vorbereitung auf die Schlacht seine Rüstung anlegte. Die Teile Imranas, die er kannte, kamen eines nach dem anderen an die richtige Stelle. Sie stand auf, trat zum Glockenstrang am Kopfteil des Betts und zog scharf daran. Eine Hand ging hinauf zum Haar und strich die dunklen Locken hinters Ohr zurück – was fast den Anschein von Nervosität erweckte. Dünne Strähnen von Grau und Weiß waren in das gefärbte Dunkel verwoben wie feine Drähte in einer Maschine der Kiriath. Sie neigte ihm den Kopf zu.
    »Weißt du, Eg, all diese Jahre … Wenn du mal einen Dreier gewollt hättest, hättest du nur fragen brauchen.«
     
    Er war sich nicht sicher, ob sie ihm glaubte, nicht sicher, ob er die Ereignisse so klar geschildert hatte, dass sie ihr irgendwie sinnvoll erschienen. Aber nachdem Brinag Nil zum Baden weggebracht hatte, schien Imrana zumindest zuzuhören. Und er glaubte, echte Pein in ihrem Gesicht zu erkennen, als er ihr seine Verletzungen zeigte.
    »Ich habe gedacht, wir wären damit durch, du und ich«, murmelte sie, während sie vor ihm an der Bettkante kniete und sanft die Ränder der Schnittwunde in seinem Schenkel drückte. Sie hatte die Hose aufgerissen, damit sie den Schnitt genauer in Augenschein nehmen konnte. Ashant war nicht der erste Ritter, mit dem sie verheiratet gewesen war, und wie die meisten yheltethischen Edelfrauen war sie sehr versiert in der Kunst
der Pflege ihres Gemahls, der aus der Schlacht heimkehrte. »Ich habe gedacht, du wärest zurückgekommen, um dich zur Ruhe zu setzen.«
    »Ja, ich auch.« In Wahrheit hatte er es nie so gesehen. »Was soll ich dir sagen? Die Probleme werden einsam und sind wieder auf der Suche nach mir.«
    Sie warf ihm einen Blick zu. »Ich glaube, das musst du vielleicht andersherum sehen.«
    Er knurrte. Aus einem anderen Teil des Hauses, durch die Wände, hörte man Stimmen und die Geräusche des zur Morgendämmerung erwachenden Haushalts. Hier drin jedoch fühlte sich alles sehr entfernt an, als geschähe es in den anderen Jurten rund ums Lagerfeuer. Schließlich lag das, was zählte, hier vor ihm im sanften Schein der Lampen. Der tiefe Graben, der sich zuvor zwischen ihnen geöffnet hatte, schien wieder zugeheilt, aber er wusste nicht genau, ob ihn das nicht noch mehr aus der Fassung brachte als die Entdeckung des Grabens selbst. Er zuckte zusammen, als sie fester auf die Wunde drückte.
    »Das muss genäht werden«, sagte sie. »Ich tu’s selbst, wenn du möchtest.«
    »Ja, schön. Die Frage bleibt, Imrana: Was soll ich mit der ganzen Sache anfangen? Kannst du das Mädchen bei dir behalten, zumindest eine Weile lang?«
    »Natürlich. Wem wird das schon auffallen, in einem Haushalt dieser Größe? Aber du musst das alles Archeth berichten, du weißt, dass du’s tun wirst. Du kannst nicht ganz allein der Zitadelle die Stirn bieten.«
    »Wie gesagt, ich kann jetzt nicht zu Archeth.«
    »Dann lass ihr eine Nachricht zukommen. Ich kann das sehr leicht arrangieren. Aber du kannst währenddessen nicht hier bleiben, Egar. Das weißt du auch, nicht?«

    »Ja«, sagte er düster.
    »Brauchst du Geld? Ich kann …«
    »Ich hab welches, das ist nicht das Problem. Das Problem ist, wem in dieser verdammten Stadt kann ich trauen und wem nicht?«
    Sie zuckte die Achseln. »Willkommen in meiner Welt! Bei Hofe würdest du nicht …«
    Rufe aus dem Korridor. Die Geräusche eines Kampfs.
    Ihre Blicke trafen sich den Bruchteil einer Sekunde lang.
    »Du quietschendes, kastriertes Stück Scheiße!« Heiseres Gebrüll draußen vor dem Zimmer. Etwas donnerte heftig gegen die Wand. »Du deckst sie, nicht wahr, du verfluchter Halbmann!«
    Panik überflutete Imranas Gesicht.
    »Er ist es, oh, Scheiße, er ist es! Er ist zurück! Verschwinde von hier, Eg, los, los! Das Fenster, ver…«
    Die Türflügel knallten nach innen.
    Zuerst kam Brinag, rückwärts stolpernd, mit den Armen um sich rudern und vergeblich auf der Suche nach seinem Gleichgewicht. Er fiel auf den Rücken. Erhob sich mühsam auf alle viere, das Gesicht ihnen zugewandt. Egar sah den sich rötenden Striemen auf einer Wange, wo er einen Schlag erhalten hatte.
    »Mylady, es tut mir so leid! Er kam unangemeldet …«
    Die Worte gingen in einen jähen Schrei über, als Großoffizier Saril Ashant hinter ihm auftauchte und ihm mit einem stark

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