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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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versuchen.
    Große, plumpe Hände, weit auseinander auf den Tisch gestützt, dazu die harten Augen, die im Halbdunkel glitzerten, und ein leises Stöhnen draußen vor dem Fenster, ein Schmerzenslaut oder das Geräusch einer kiriathischen Maschine, die sie nicht verstand, oder beides.
    Wenn du es jetzt nicht versuchst, wer dann? Wer bleibt dann, Archidi?
    Und dann wusste sie, mit der jähen Gewissheit des Traums, dass er tot war, dass sie als Nächste an der Reihe war, und das dünne Stöhnen konnte nur näherkommen, sich gegen das Glas drücken, hereinspähen, und sie war …
    Wach. Als wäre ein Zweig unter den Füßen zerbrochen.

    Starrte über die Kabine hinweg in das leere Düster.
    Und so ging es weiter, wieder und immer wieder, während die Nacht sich langsam an ihren unermüdlich mahlenden Gedanken abarbeitete. Bis die Dämmerung wie eine bleiche, halbherzige Erlösung durch das Fenster hereinsickerte und ihr vorübergehend ein Ziel schenkte.
    Ein zweiter Gähnanfall überkam sie. Sie blinzelte im Sonnenlicht, folgte den Signalen ihres Körpers und ging hinab in die Kombüse. Auf dem Rückweg, die Hände um den warmen Keramikbecher gelegt, begegnete sie Hanesh Galat.
    »Einen guten Morgen, Mylady.«
    »Ja.« Sie war bereits an ihm vorbei und befand sich auf der Kajütenleiter nach oben. Versuchte, ihn zu überhören, als er ihr etwas nachrief.
    »Darf ich, ähm, mit Euch kommen?«
    Sie stieß einen unbestimmten Laut aus, den er anscheinend als Zustimmung auffasste. Er folgte ihr zur Reling und lehnte sich in diplomatischem Abstand rechts neben ihr dagegen.
    »Ein wunderschöner Morgen«, begann er ungeschickt.
    Sie starrte auf das sich kräuselnde Wasser hinab, orange-golden gefärbt, auf die glitzernden Strudel, welche die Ruder hervorriefen. Krinzanz, Krinzanz – meine Seele für eine Viertelunze. Sie beherrschte sich und blieb schlicht höflich. »Vermutlich.«
    »Na ja, äh …« Galat zögerte, wodurch er merkwürdig knabenhaft wirkte. »Seht Ihr, ich stamme aus dem Norden, ursprünglich. Vanbyr, ziemlich in der Nähe. Da oben haben wir nicht so viel Glück mit der Sonne.«
    Oder mit allem anderen in letzter Zeit. Sie konnte sich gerade noch zurückhalten, es laut auszusprechen.
    Aber Szenen der Schlächterei beim Aufstand in Vanbyr marschierten durch ihren Kopf wie eine Kolonne höhnisch grinsender
Trolle. Schreie und Rauch, die armseligen brennenden Hütten auf dem Land, die hustenden, bettelnden Gestalten, von Piken zurück ins Innere gestoßen, wenn sie stolpernd versuchten, herauszukommen. Abgeschlagene Köpfe wie Fußbälle durch die gepflasterten Straßen der Stadt getreten, Kinder aus den Fenstern der oberen Stockwerke geworfen, und Soldaten, die sich einen Sport daraus machten, sie mit ihren Schwertern aufzuspießen, während die Mütter weinten und heulten und vergewaltigt wurden, womit die imperialen Soldaten üblicherweise ihre Freizeit verbrachten.
    Es war ein Befehl des Imperators, und er wurde buchstabengetreu ausgeführt. Akal der Große wollte ein Exempel statuieren, eine Lektion erteilen, was passierte, wenn eine Reichsprovinz an der Grenze nach Unabhängigkeit strebte. Und alle, die in Vanbyr dabei gewesen waren, sagten übereinstimmend, dass die Lektion mit magistraler Gewalt erteilt worden war – obwohl die Einzelheiten natürlich geschönt wurden, damit die Empfindlichkeiten des Hofs nicht litten. Akal selbst – alternd und zunehmend gebrechlich, weil die Verwundungen, die er im Krieg erlitten hatte, letztlich doch ihren Tribut forderten –, konnte nicht mehr mit seiner Armee nach Vanbyr reiten, deshalb bekam er nicht mit, auf welche Art und Weise sich seine Streitkräfte mit Ruhm bedeckten.
    Archeth, als höfische Beobachterin des Unternehmens, hatte eine nur allzu grimmige Freude darüber verspürt, diese Wissenslücke zu füllen und ihrem kränklichen Imperator in aller Genauigkeit und allen Einzelheiten Bericht zu erstatten, während er auf seinem Krankenbett lag, etwas von Notwendigkeit brummelte und ihrem Blick auswich.
    Nachdem Jhiral die Thronfolge angetreten hatte und das Gemurmel bei Hofe gegen ihn losging, war sie selbst von der zerstörerischen
Flut der Verachtung überrascht, die sie diesen Nörglern und ihrer offenbar selektiven Erinnerung an den Vater gegenüber empfand.
    Und sie war fast froh darüber gewesen, als Jhiral mit den Repressalien begonnen hatte.
    Fast.
    »Ihr seid noch in Eurer Jugend in die Hauptstadt gekommen?« , fragte sie Galat aus dem

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