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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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der Ermahnungen des Rufers auf verlorenem Posten standen.
    »Macht schon! Meine kleine Schwester rudert kräftiger als ihr Ärsche! Zurückrudern  – was ihr nur könnt! Eins! Zwei!«
    Die Ruder gruben sich ein. Das Wasser kochte. Die Beschimpfungen des Ausrufers wurden heftiger. Das ging noch einige Minuten so weiter, dann hörten sie Lal Nyanar im Ausguck am Bug rufen, sie sollten aufhören. Einen Moment später kam er mit finsterem Blick an Deck.
    »Wir stecken fest«, berichtete er überflüssigerweise. »Müssen Leute an Land setzen, die sollen uns mit Tauen rausziehen. Die einzige gute Nachricht ist, dass wir nicht weit von unserem Ziel entfernt sind. Das ist eine Flussschleife – Ihr habt geeigneten Strandkies genau uns gegenüber am anderen Ufer.«
    Hald zuckte mit den Schultern. »Dann gehen wir’s von hier aus an, vermute ich mal.«
    Er und Nyanar teilten die Männer auf. Die überwiegende Anzahl blieb beim Schiff und sollte bei den Leinen helfen. Die verbliebene Abteilung ließ drei Landungsboote zu Wasser, holte die Ausrüstung und Halds und Archeths Pferde durch die Luke auf Deck und ruderte dann hinüber zur Landungsstelle. Es gab ein paar kritische Augenblicke, als ein riesiges Wüstenkrokodil weiter stromaufwärts ins Wasser platschte und wie ein Scheit neugierig hinter den Booten herschwamm. Senger Hald teilte Männer ein, die sich mit gespannten und geladenen Arbalesten ins Heck jedes Boots stellten, befahl anderen, die Pferde zu beruhigen, und verdoppelte dann still die Schlagfrequenz der Ruderer. Zunächst schien das Krokodil unentschlossen, ob es ihnen ans Ufer folgen sollte oder nicht, aber schließlich zeigte es ihnen seinen gelb-schwarz gepanzerten Schwanz und machte sich stromabwärts davon, auf der Suche nach leichterer Beute.

    Man konnte deutlich hören, wie in den Booten der fest angehaltene Atem aus sämtlichen Kehlen ausgestoßen wurde, als die Kreatur davonschwamm.
    »Verdammte Dinger«, brummelte einer der jüngeren Seemänner.
    Sein Gefährte am gegenüberliegenden Ruder war älter, Schläfen und Bartstoppel waren bereits ergraut. Er grunzte und zeigte beim Ruderschlag die Zähne.
    »Kannst dich glücklich schätzen, mein Sohn. Das ist eine blöde Echse, die du da vor dir hast. Einige von uns waren dabei, als die intelligenten vorbeigeschaut haben.«
    Und er begegnete Archeths Blick, als er sich wieder ins Ruder legte.
    Sie erinnerte sich nicht an sein Gesicht aus dem Krieg. Vielleicht hatte sie in den Angriffsreihen in seiner Nähe gestanden, vielleicht auch nicht. Es waren Tausende von Gesichtern gewesen, und die meisten waren jetzt dahin. Wahrscheinlich war sie nur ein Symbol – die pechschwarzen kiriathischen Züge, die Augen; Erinnerungen an eine inzwischen vergangene Zeit, als Männer und Frauen wie sie in der Stunde der größten Not der Menschheit an der Spitze aller Armeen gestanden hatten, die Yhelteth ins Feld geworfen hatte.
    »Ganch«, sagte jemand weiter hinten im Boot, »warum hörst du nicht einfach mit deinen blöden Kriegsgeschichten auf, hm?«
    Allgemeines Gelächter. Ganch selbst stimmte darin ein.
    Sie landeten ohne weiteren Zwischenfall, und die Männer grinsten einander mit flauem Gefühl im Magen an, sprangen über Bord ins knietiefe Wasser und zogen die Boote ans Ufer. Es gab eine etwas überlaute Fröhlichkeit, ein bisschen Klamauk, der sich verflüchtigte, als Senger Hald sie zusammenrief und die Männer für die Erkundungsgruppe auswählte, alles in allem
zwanzig. Er skizzierte kurz, worauf es ankam, und befahl den verbliebenen Männern, bei den Booten das Lager aufzuschlagen. Dann schwang er sich neben Archeth in den Sattel und warf ihr einen zweifelnden Blick zu.
    »Also los, Mylady – bringen wir’s hinter uns.«
    Sie ritten durch die stille Wüstenluft auf die Rauchsäule zu. Uralte, aufgebrochene Lavaströme in einer verlassenen, abfallenden Landschaft, keine Erlösung von der Sonne, so weit das Auge reichte. Anfangs gab es etwas niedriges Buschwerk, aber nachdem sie den Fluss hinter sich gelassen hatten und An-Monals Ausläufer erstiegen, dünnte sogar dieses Gebüsch aus. Der Vulkan ragte hinter ihnen drohend in den Himmel wie ein lebendes, beobachtendes Wesen. Keine weitere Konversation mehr mit Hald, tatsächlich sogar kein Geräusch außer den Hufen der Pferde, dem Klirren der eisernen Harnische und dem Knirschen der Schritte von den Männern hinter ihnen.
    Etwa eine Stunde später entdeckten sie den Baum. Es war eine Calderaeiche,

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