Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
Vom Netzwerk:
Bedürfnis heraus, die Erinnerungen zu verjagen.
    »Vor der Erhebung, ja.« Vielleicht hatte er den Schatten gesehen, der ihr übers Gesicht geglitten war. Er räusperte sich. »Ich bin mit neun für die Meisterschaft auserwählt worden. Für meine Familie war das eine große Ehre.«
    »Kann ich mir denken.«
    »Ja. Der Dienst an den Mitmenschen kann viele Formen annehmen, aber diejenigen, die der Offenbarung dienen, sind über alle Maßen privilegiert.«
    Archeth hörte mit unbewegtem Gesicht zu. »Gewiss, gewiss.«
    »Aber trotz alledem glaube ich, dass es meinem Vater besser gefallen hätte, dass es ihm sogar lieber gewesen wäre, wenn ich ein Offizierspatent erlangt hätte. Wir sind traditionell eine Militär-Familie.«
    »Dann muss Euer Vater begeistert von der neuesten Richtung der Lehren der Meisterschaft sein. Jeder getreue Anhänger soll sich dann als Krieger für die gerechte Sache erachten und nicht bloß das Wort der Offenbarung tragen, sondern auch ihr heiliges Schwert.«
    Erneut räusperte sich Hanesh Galat. »Tatsächlich gibt es einige Debatten über die eigentliche Bedeutung des letzten Bildes.«
    »Pashla Menkarak zufolge allerdings nicht.«
    Eine weitere verlegene Pause, die dieses Mal lange genug
währte, dass Archeth sich umsah, ob Galat noch da war. Er blickte verlegen beiseite.
    »Erz-Hüter Menkarak ist, ähm, ein sehr gelehrter Mann. Ein glänzender Gelehrter der Offenbarung und ein gründlicher Interpret der Lehre. Ein großartiger Schreiber, einer der besten der Oberherrschaft. Aber gewiss wird er seine Ansicht als die eines Sterblichen und somit nicht über jeden Zweifel erhaben betrachten.«
    »Ihr seid ihm begegnet?«
    »Äh, persönlich nicht, nein.«
    »Hatte ich mir gedacht.«
    Ein Schweigen senkte sich zwischen die beiden, und sie glaubte, dass er sich nun verdrücken würde. Aber so viel Glück hatte sie nicht. Er knetete die Reling mit den Händen und wackelte hin und her, als wäre er daran angeleint. Sie spürte, wie er die Worte in seinem Mund arrangierte, verwarf und erneut auswählte. Wäre sie besser gelaunt gewesen, hätte sie ihm vielleicht geholfen.
    Aber sie war nicht besser gelaunt.
    »Diese, ähm, Enttäuschung über die gegenwärtigen Repräsentanten der Offenbarung«, versuchte er es schließlich, »kommt für mich nicht von ungefähr.«
    »Nein?«
    »Nein. Ich weiß sehr wohl, dass Eure direkten Interaktionen mit der Zitadelle vor Kurzem nicht, sagen wir, erfreulich verlaufen sind. Das hat man mir … deutlich zu verstehen gegeben.«
    Archeths letzte unmittelbare Interaktion mit einem Repräsentanten der Zitadelle hatte unter anderem darin bestanden, dass sie ihm am helllichten Tag auf einer öffentlichen Straße die Kehle aufgeschlitzt hatte. Sie hielt ein Auge auf das vorüberstreichende Flussufer gerichtet und sagte gleichmütig:

    »Ihr könnt Euch sehr diplomatisch ausdrücken, Hüter Galat.«
    »Ja, äh, vielen Dank.« Er wollte sie nicht direkt ansehen. Aber er fasste anscheinend etwas Mut, als er errötete. »Wir sind nicht alle immer im Einklang mit Erz-Hüter Menkarak, Mylady. Wir sind nicht alle voller Hass. Das solltet Ihr vielleicht bedenken.«
    Und dann ließ er sie, zu ihrer Überraschung, tatsächlich allein.
     
    Kurz vor Mittag pflügte die Schwert der göttlichen Gerechtigkeit in eine schlammige Untiefe, die nicht auf den Karten verzeichnet war, und steckte fest.
    Es geschah ohne Vorwarnung – lediglich der jähe Ruck und dann ein Beben und Ächzen im Rumpf, wie ein monströser Esel, der gerade Prügel bekommen hatte. Das Deck vollführte einen heftigen Satz und neigte sich. Archeth geriet bei dem Aufprall ins Stolpern und wäre auf dem Hintern über Bord gegangen, wenn Senger Hald sie nicht mit der Hand an der Schulter festgehalten hätte. Ein paar der jüngeren Matrosen, die in der Nähe standen, gingen tatsächlich unter dem Gejohle und zur allgemeinen Heiterkeit ihrer Mitstreiter über Bord. Irgendwo unten protestierten die eingepferchten Pferde. Und vom Galeerendeck ertönten die Schreie und das Stöhnen der Ruderer. Sie waren erfahrene Flussleute und wussten, was das Geräusch zu bedeuten hatte.
    Der Ausrufer überschrie sie alle: »Zurückrudern! Rudert zurück! Eins! Zwei! Strengt mal eure verdammten Muskeln an, ihr Schlappschwänze !«
    Archeth und Hald eilten über das schräg stehende Deck zur Reling und spähten hinüber. In dem schlammigen, braunen, brodelnden Wasser war nichts zu erkennen, aber es war klar,
dass die Ruderer trotz

Weitere Kostenlose Bücher