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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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lag unter ihm, und er bekam keinen Halt. Seine Stiefelabsätze rutschten auf der Seide aus.
    »Was tust du…«, murmelte er, benommen vor Entsetzen. »Was glaubst du, was du – was du da tust?«
    Ringil legte den Rabenfreund beiseite und schüttelte den Drachenzahndolch aus dem Ärmel. Mit der freien Hand packte er den Gesandten fest beim Haarschopf und zog den Kopf hart zurück. Er beugte sich nahe heran, so nahe, dass er den sauren Atem des Mannes roch, so nahe, dass er ihm hätte einen Kuss geben können.
    »Ich schaffe die Sklaverei ab«, sagte er.
    Und schnitt dem Imperialen die Kehle durch.

8
    Eine Stunde nach Anbruch der Morgendämmerung machten sie die Leinen von den eisernen Kais los – aus militärischer Sicht ein recht gemütlicher Start, aber Archeth wollte so viel Licht am Himmel wie möglich, um die Männer nicht zu verstören. Sie stand an der Steuerbordreling und sah zu, wie die Schwert der göttlichen Gerechtigkeit hinaus auf die wirbelnden Wasser des Flusses trieb, in der Strömung allmählich drehte und dann bebend stockte, als sich die Riemen an ihren Flanken ins Wasser gruben. Die Trommel dröhnte unter Deck, das Pochen ihres Pulses drang durch die Planken unter Archeths Füßen, und der Rufer begann seinen Singsang:
     
    Was machst du mit dem Kopf vom alten Luden?
– Hau ihn endlich ab! Hau ihn endlich ab!
     
    Dann hol dir seine allerbeste Hure!
– Bring sie auf Trab! Bring sie auf Trab!
     
    Was machst du mit dem Geld vom alten Luden?
– Wirf’s zum Fenster raus! Wirf’s zum Fenster raus!
     
    Dann hol dir …

     
    Und so weiter.
    Sie ließ sich von den Versen überschwemmen, ein schwaches Lächeln des Wiedererkennens auf den Lippen, und dann rannen die Worte auf ihrer eigenen Vertrautheit davon. Keine schlechte Wahl – die Brutalität und Angeberei dieses Landgangliedes mochten dazu beitragen, dass sich die Nerven einiger Männern beruhigten, die beim Schlafengehen so einiges von Zauberei und Dämonen gebrummelt hatten.
    Und die sich beim Aufwachen nicht viel besser fühlten.
    Zum Schlag der Trommel schlich die Fregatte im Schneckentempo flussaufwärts, und der Himmel im Südosten war tief gerötet vom Glanz eines Sonnenaufgangs, der hinter dem langen Bergrücken von An-Monal verborgen war. Archeth lehnte sich an die Reling, beschattete die Augen gegen das Licht und starrte auf den fernen Rauch.
    Er hatte sich seit Tagesanbruch nicht verändert – die einzelne dünne Säule eines aufsteigenden Dunkelgraus, wie die Bleistiftskizze eines Handwerkers auf der heller werdenden blauen Kachel des Himmels. Archeth war am frühen Morgen von den Rufen der Männer erwacht, die sie entdeckt hatten. Helleres Licht von Osten vor ihrem Kabinenfenster und aufgeregte, hin und her gehende Rufe, die sich zu einem kleinen Sturm von Debatten und beunruhigten Flüchen aufbauten, bis Senger Hald die Gangway herabkam und die Männer anbrüllte, sie sollten ruhig sein.
    Wenn er selbst Befürchtungen hegte, so verbarg er sie gut. Aufgaben wurden neu verteilt, das Lager entlang des Kais wurde abgebaut, die Fregatte fürs Ablegen beladen. Zwar gingen die Seemänner effizient an ihre Arbeit, aber Archeth hörte ihre Worte, während sie brummelnd auf dem Kai unterhalb ihrer Kabine auf und ab gingen. Zumeist waren es fromme Männer, auf
ihre eigene rohe Art und Weise, und die gegenwärtigen Ereignisse passten nur allzu gut zu einigen der schrecklicheren Prophezeiungen in den Kapiteln der Offenbarung, die vom letzten Kampf für das Göttliche handelten. Dämonenfeuer bei Nacht, und jetzt brannte etwas im Osten. Zieh deine eigenen Schlüsse!
    Die Sonne glitt über den Hang des Vulkans wie eine weißglühende Münze, löste sich vom Horizont und machte sich an ihren Aufstieg. Gähnend überlegte Archeth, dass sie vielleicht noch etwas Kaffee benötigte. Sie hatte in ihrer Gästekabine nicht gut geschlafen. Hatte sich die ganze Nacht hin und her gewälzt, hatte geträumt, war wieder erwacht, hatte erneut geträumt, als pflügte die Fregatte durch schwere See. Ein weiteres Vergnügen, das du der Abstinenz vom Krinzanz zu verdanken hast! Sie erinnerte sich nicht an die Details der Träume, nur dass ihr Vater darin umhergestreift, es ihm nicht gut gegangen war und er sie beständig vor etwas gewarnt hatte. Doch sie war nicht erfahren genug gewesen, Gestalt und Natur der Warnung zu erfassen.
    Du musst es versuchen. Sie erinnerte sich an die Worte, mit denen er sie angefleht hatte. Du musst es immer wieder

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