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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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lauter Knall. Ein paar der Seeleute fuhren sichtlich zusammen. Abrupt fiel ein ganzes Viertel der zerbrochenen grauen Kruste zur Seite und lag wie das Bruchstück eines verlassenen Wespennestes da. Aus der dadurch entstandenen Lücke krabbelte das Ding heraus, das sich im Innern hin und her gewiegt hatte, wie eine gigantische Krabbe auf Nahrungssuche.
    Flüche schwirrten durch die Luft. Die Soldaten wichen noch weiter zurück. Archeth bemühte sich, es nicht zu tun, das hätte nicht gut ausgesehen.
    Das Krabbending hatte sich nun endlich herausgequält und fiel zu Boden, wo es einen Moment liegenblieb. Eine oder zwei seiner Gliedmaßen zuckten schwächlich, wie erschöpft. Zwei Seeleute schwangen ihre Hellebarden von den Schultern und richteten sie auf das Wesen.
    »Das wird wirklich nicht nötig sein«, sagte die Stimme. »Nagarn, Khiran, vielen Dank. Ihr könnt die Dinger wegstecken.«
    Die Hellebardiere sahen einander mit offenem Mund an. Erschrocken ließen sie die Waffen fallen. Das Krabbending richtete sich auf und kroch seitlich in den Spalt, dann brach es wiederum zusammen. Archeth ging in die Hocke, um es näher in Augenschein zu nehmen. Das Ding maß an der breitesten Stelle volle drei Fuß, war glatt und konturlos, oben grau, abgesehen von verstreuten, daumengroßen Optiken, die in einem blassen Blau oder Weiß glühten. Nach dem ersten flüchtigen Blick hätte man durchaus glauben können, einen kiriathisch gezogenen gigantischen Riesenpilz vor sich zu haben  – bis es sich rührte. Aber die Bewegungen waren ungeschickt. Die Beine spreizten sich aus Vertiefungen in der unteren Hälfte der Kreatur, doch sie funktionierten anscheinend nicht besonders gut, als wären sie nicht daran gewöhnt, das Gewicht des Dings zu tragen.

    »Es werden drei oder vier von euch erforderlich sein, um mich anzuheben.« Brüsk, als hätte es ihre Gedanken gelesen. »Ich schlage vor, wir stellen eine improvisierte Trageschlinge her.«
     
    Sie erfuhr seinen Namen, als sie es, ächzend unter seinem Gewicht, den Hang hinauf und aus dem Krater trugen. Später, sobald sie die vorgeschlagene Trage aus Pferdedecken und zwei Hellebardenschäften geknüpft hatten und unterwegs zurück zum Fluss waren, erhielt sie einen vagen, langatmigen und ziemlich unwahrscheinlichen Abriss seiner Lebensgeschichte, erzählt in archaischem Hochkir, wobei sie das Zuhören bald zu sehr ermüdete, um sich weiterhin darauf zu konzentrieren. Wie den meisten ihr bekannten Steuermännern gefiel Anasharal der Klang der eigenen Stimme, und Bescheidenheit war offenbar ein Fremdwort für ihn.
    »… und als Dank für diese Dienste wurde ich von dem König in den Himmel geschleudert, zwischen die Sterne, wo ich als Leitstern für alle Reisenden guten Herzens für immer und alle Ewigkeit dienen sollte.«
    »Ja?«, fragte Archeth, die zusammengesunken auf ihrem Sattel neben der Trage und deren Trägern einherritt. »Was tust du dann hier unten?«
    Ihr Tonfall war schnippischer als beabsichtigt. Die gnadenlose Wüstenhitze und die beständigen Blicke der Männer, die sie mit diesem plappernden Stück Zauberei und Eisen in einen Topf warfen – das alles waren Bausteine ihrer zunehmenden Gereiztheit. Aber mehr noch war es die aufkeimende Erkenntnis, dass sie, als Manathan von einem Botschafter gesprochen hatte, davon ausgegangen war – sehr eilig vermutet hatte –, damit wären die Kiriath selbst gemeint, die auf irgendeine märchenhafte, unwahrscheinliche
Art und Weise aus den Adern der Erde zurückkehren würden, in die sie verschwunden waren.
    Stattdessen hatte sie das hier am Hals.
    »Ich glaube wirklich nicht, Tochter des Flaradnam, dass du oder einer deiner, äh, Freunde hier auch nur im Entferntesten die Komplexität der Entscheidung verstehen könntest, mich genau in diesem Augenblick auf die Erde fallen zu lassen. Angeordnete Entscheidungen, davon spreche ich, getroffen in einer Arena, die so kalt und leer ist, dass es deinen Leib in einem Herzschlag zu einem Eisblock erstarren und das Blut in deinen Adern kochen ließe.«
    »Du hast wohl gemeint ›gefrieren‹.«
    Einen Augenblick lang schwieg Anasharal, reglos in der schlaff herabhängenden, ruckenden Schlinge aus Pferdedecken. Zu beiden Seiten trockenes, metronomhaftes Knirschen marschierender Füße – aber selbst die Träger sahen hinab, überrascht vom jähen Schweigen ihrer Last.
    »Du hast gesagt ›kalt‹«, sagte Archeth, wodurch sie die Situation noch verschlimmerte.
    »Glaub, was du

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