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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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willst.« Wie ein Uhrwerk, das jemand wieder aufgezogen hatte – sie wusste nicht genau, ob die Stimme verdrossen oder höhnisch geworden war. »Es wäre in jeglicher Hinsicht gleichgültig. Deine Perspektive ist ebenso erdgebunden wie die eines jeden Sterblichen. Ich andererseits habe den Aufstieg und Fall von Königreichen auf allen Kontinenten und über die Zeitalter hinweg gesehen, war Zeuge des Dahinscheidens der Aldrain und der blutigen, hebammenunterstützten Wiedergeburt des Menschen, habe die kurzen, mannigfachen Menschenleben wie Löwenzahnsamen im Wind vorbeiwirbeln sehen, habe mit der fast – jedoch tatsächlich nicht völlig – unberechenbaren Mathematik von allem gerungen, und ich sage
dir, du solltest dich nicht damit abplagen, irgendetwas davon oder von mir verstehen zu wollen. Folge meinen Anweisungen und mach einfach weiter.«
    »Wir tragen dich«, gab Archeth zu bedenken.
    »Ja, wie dein Pferd dich trägt – aber ich bezweifle, dass du versucht hast, dem Tier die Grundlagen der Algebra beizubringen.«
    Anscheinend zufrieden mit dieser Erwiderung verfiel Anasharal wiederum in Schweigen und verblieb darin, bis sie die Boote erreichten. Dort zog er anscheinend eine kindische Befriedigung daraus, die Seeleute zu erschrecken, die sich um die Trage scharten und sehen wollten, was ihre Kameraden da mitgebracht hatten. Er nannte verschiedene beim Namen und fragte in perfektem Thetannisch nach ihren jeweiligen Lebensumständen – Ganch, ob die Bisswunde von den Reptiliensklaven ihm im Winter immer noch zu schaffen mache, Hrandan, ob ihm die Abordnung auf die Flussfregatte lieber sei als sein vorheriger Dienst in Khangset, Shalag, wie ihm seine Zeit in Demlarashan gefallen habe und ob es dort unten seiner Ansicht nach wirklich so schlimm stand, wie alle sagten. Es war das unverfrorenste Stück Angeberei, das Archeth jemals erlebt hatte, sogar seitens eines Steuermanns – und wie alle solche Tricks war es fesselnd.
    Am Ende musste Senger Hald die Männer lautstark und mit gezogener Klinge zur Ordnung rufen, damit sie an ihre Aufgaben und auf die Beiboote zurückkehrten.
    Die gute Nachricht jedoch war, dass es Lal Nyanar gelungen war, die Schwert der göttlichen Gerechtigkeit wieder flott zu bekommen. Er erwartete sie an der Ladeluke, als sie die Pferde an Bord brachten, und rieb sich brüsk die Hände, eindeutig zufrieden mit sich selbst. Hartes Sonnenlicht fiel schräg durch die offene Luke und fing die Staubmotten ein, die in der feuchten
Düsternis des Unterdecks tanzten. Malte einen hellen Streifen auf Nyanars zufriedenes Gesicht.
    »Also. Was habt ihr gefunden?«
    »Sie haben mich gefunden«, erwiderte Anasharal. »Und sie haben lange genug gebraucht.«
    Nyanar machte einen Satz. Er starrte das reglose Stück Metall an, das die Männer in der Schlinge aus Pferdedecken auf sein Schiff trugen. Man sah ihm an, wie er sich bemühte, eine Verbindung zu der gereizten Stimme zu ziehen, die ihm gerade ins Ohr gesprochen hatte.
    »Er ist wie ein Steuermann«, berichtete ihm Senger Hald, der gerade aus dem schaukelnden Boot stieg und an Bord der Fregatte kam. »Ein Steuermann, vom Himmel gefallen, sagt er.«
    »Aber – so klein?«
    Hald breitete vielsagend die Arme aus. Beide Männer sahen Archeth an.
    Großartig – als ob ich mehr darüber wüsste als ihr.
    Sie täuschte die Zuversicht des Befehlshabers vor. »Wir haben keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln. Wir werden mehr herausfinden, sobald wir zurück in Yhelteth sind.«
    »Ja … nur … wartet eine Minute.« Nyanar zeigte auf die Träger, und sie legten die Schlinge mit offensichtlicher Erleichterung auf den Planken ab. »Wir haben keinen Grund, ihm zu vertrauen, was er auch sein mag. Es könnte ein, ein Dämon sein, ein betrügerischer. Ein böser Geist, in Eisen eingesperrt.«
    »Oh, bezaubernd.«
    »Er hat uns gebraucht, um ihn herzutragen«, sagte Archeth kurz und knapp. »Ich glaube, wir sind wirklich nicht in Gefahr.«
    »Vielleicht nicht in körperlicher Gefahr. Aber was ist mit unseren Seelen?«

    »Lal Nyanar – wenn Euch jetzt nur Mahmal Shanta hören könnte! Was würde er von dem Mann denken, den er einmal seinen vielversprechendsten Schüler genannt hat? Seinen vielversprechendsten … Mitarbeiter?«
    Nyanars Blick flackerte zurück zu dem Steuermann. Jetzt war die Furcht deutlich zu erkennen – die Erwähnung von Shantas Namen hatte alles nur verschlimmert. Er sah Archeth starr an.
    »Das ist mein Schiff, Mylady.

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