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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
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herankroch. Anscheinend wollte ihn der Ozean nicht haben. Die Strömung spie ihn Meilen weiter unten an der Küste wieder aus, er stolperte erschöpft durch die Brandung, und die Wellen stießen ihn brutal an Land. Wie Schläge von der Hand seines Vaters fühlte es sich an, schwielig vom Schwertgriff.
    Ja, und vermutlich ist dir nie in den Sinn gekommen, dich über diese hilfreichen Hände zu wundern, nicht wahr? Eine sarkastische Stimme an seinem Ohr – er wirbelt heftig herum, ihr entgegen, sieht eine schattenhafte Gestalt zwischen den beiden Menhiren davonhuschen, sieht den Saum eines Mantels, und da ist er schon verschwunden, bevor er ihn erfassen könnte. An seiner statt treibt die Stimme hinter ihn. Dir ist nie der Gedanke gekommen, dich zu wundern, was genau dich die ganze Zeit über Wasser gehalten hat?
    Eiseskälte umhüllt seinen Nacken, verstohlen, fassbar. Feuchte
Finger, unterteilt von Schwimmhäuten, die sich fest auf die Haut drücken.
    Er schaudert bei der Berührung. Schüttelt sie ab. Kann sich jetzt nicht daran erinnern, ob die Erinnerung wirklich ist, oder ob Dakovash sie dort eingepflanzt hat.
    Oh, ja, stimmt schon, ich denke mir das alles aus. Die Merroigai waren nie da, du bist ganz allein zur Küste geschwommen, natürlich, natürlich. Hinter den Steinen schleicht die Stimme des salzigen Herrn umher, nicht ganz im Takt mit dem wandernden Schatten seiner Gestalt. In beiden liegt eine wütende Erregung, wie das Flackern und Spucken der erlöschenden Flamme einer Öllampe. Verfluchte Sterbliche! Weißt du, es ist – ich bin diesen Scheiß dermaßen leid! Wo bleibt der Respekt? Wo ist die Ehrfurcht des Bittstellers? Von dir hätte ich geglaubt, Ringil Eskiath, gerade von dir …
    Eine lange Pause, die Gestalt bleibt zwischen zwei Monolithen stehen und wendet sich Ringil zu, eine bleiche Hand wie eine Klaue an die Brust gepresst. Das Gesicht unter dem Hut besteht bloß aus Schatten, schimmernden Zähnen und Wolfsaugen. Erneut die krächzende Stimme.
    Sieh mich an, Eskiath, sieh mich an, verdammt! Wenn du schon keinen Respekt aufbringen kannst, so entwickle zumindest einen Überlebensinstinkt, ja? Ich bin ein Herr des dunklen Hofs. Ich bin ein verfluchter Dämonengott. Hast du auch nur eine Ahnung, was ich Fleisch und Seelen von Männern angetan habe, die Tausende von Malen mächtiger sind, als du jemals sein wirst? Und das aus keinem anderen Grund als dem, dass sie mir widersprochen haben, wie du es tust, als hättest du das verdammte Recht dazu. Sieh mich an! Ich bin Dakovash. Ich stahl – als ich noch jung war, als diese ganze verfluchte Welt noch jung war –, ich stahl den hohen Göttern Feuer und schmiedete es zu einer neuen Waffe gegen sie. Ich befehligte
Engel in der Schlacht, holte fledermausflügelige Dämonen aus der Dunkelheit, welche die alte Ordnung über den Haufen werfen sollten. Ich durchquerte die Leere als ein verdammtes Lied, sodass die alte Ordnung fallen würde. Ich zerschmetterte diese Idioten in der Schlacht über dem Bogen dieser Welt, wenn es niemand konnte oder niemand wollte außer mir. Und du meinst, du könntest über mich ein Urteil fällen? Mich an einem fünfzehnjährigen Pimpf aus dem Sumpf messen, der nicht mal ein verdammtes Breitschwert halten konnte, um damit sein Leben zu retten? Was soll ich denn mit ihm anfangen? Ihn ausbilden? Der salzige Herr schleudert einen Arm nach vorn, zieht gekrümmte Finger durch die verdunkelte Luft, ein erschöpftes ungläubiges Zucken. Irgendwo hinter ihm poltert Donner durch die grauen Orte. Was – irgendein verfluchtes Kloster irgendwo auf einem Berg suchen und für ihn Kost und Logis zahlen für ein Jahrzehnt unter freundlichen Kriegermönchen, damit er in seine aufsteigende Macht hineinwachsen, sein Schicksal erfüllen und der Eine werden kann? Jetzt mach doch mal halblang, Eskiath, verdammt! Du meinst, das funktioniert wirklich so?
    Ich wüsste nicht, wie es funktioniert, sagt Ringil ausdruckslos. Du bist hier der Dämonenherr, nicht ich.
    Die Hand des salzigen Herrn fällt an seiner Seite herab. Na gut, dann versuch mal, ein bisschen drüber nachzudenken, ja? Wende dein gut ausgebildetes Bewusstsein auf all jene blödsinnigen Heldenmit-einer-hohen-Bestimmung-Legenden an, die dein Volk sich so gern erzählt. Du meinst wirklich, dass in einem dreckigen Schlachthaus von Welt wie dieser, wo Krieg und Not ganze Bevölkerungsschichten zu unmenschlicher Brutalität und Ignoranz erziehen, wo die herrschenden Klassen ihre

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