Das kalte Schwert
schnarchte Eril kehlig, einen Arm über die Augen gelegt, um sie vor der Sonne zu schützen. Aber ansonsten hatte er sich nicht gerührt, seitdem Ringil zuletzt einen Blick auf ihn geworfen hatte.
Der schwebende Falke war verschwunden. Und kein Anzeichen von Dakovash. Es hätte alles – ja, genau – ein Traum sein können.
Chaos sammelt sich, wie der Vers eines schlechten Dichters.
Stirnrunzelnd sah er nach Westen.
He, nun komm schon! Das ist einfach blöd …
Wirklich? Er betrachtete den jähen Hoffnungsschimmer von allen Seiten, um seinen Wahrheitsgehalt zu beurteilen. Hast du einen besseren Plan, ja, Gil? In deinem jetzigen Zustand?
Er unterdrückte ein erneutes Zittern, zog seinen Mantel fester um sich und kauerte sich neben den schlafenden Eril. Stieß
ein gepresstes pssst! aus, das den Schläger von der Sumpfbruderschaft sogleich wecken würde, das wusste er.
Natürlich schlug Eril die Augen auf und war sofort ebenso wach, als hätte er sie erst einen Moment zuvor geschlossen. Seine Hand lag bereits auf dem Griff seines Messers.
»Ja?«
»Zeit, sich in Bewegung zu setzen«, erklärte ihm Ringil.
Eril erhob sich, hielt sich geduckt und stellte keine Fragen. Er sah sich in ihrer unveränderten Umgebung um und betrachtete dann wieder neugierig Ringil.
»Ist mir was entgangen?«
»Nein«, erwiderte Ringil knapp. »Dir ist nichts entgangen. Aber ich habe eine Vorstellung, wie wir hier herauskommen.«
12
Er nannte sich Anasharal.
Archeth hatte noch nie etwas Ähnliches gesehen. Die Steuermänner ihrer Jugend waren groß und bestenfalls halb sichtbar – meistens steckten sie in den Wänden oder den Rümpfen und Schotten der Feuerschiffe, wie hilfreiche Ratten aus einem Märchen oder sprechende Bücher auf Bibliotheksregalen. Sie verstrickten einen in ernste Gespräche, manchmal lösten sie für einen die Probleme – oder sagten einem, warum sie es nicht konnten –, und sie konnten zahlreiche Aspekte der kiriathischen Domäne auf eine Weise manipulieren, die Archeth bloß magisch nennen konnte. Als Kind hatte sie den Eindruck gewonnen, dass einige von ihnen ein leicht angsteinflößendes, gönnerhaftes Vergnügen daran fanden, sie anzuleiten, und zwar nicht immer auf Wegen, die ihre Eltern für gut und richtig befanden.
Aber eines waren sie: unbeweglich.
Später, als die Ingenieure sich daran machten, einige der alten Feuerschiffe für die Abfahrt zu entkernen, erkannte sie den Grund; die Komponenten traten ans Licht wie riesige Eisenorgane und Darmschlingen, die chirurgisch entfernt worden waren. Angfal, einst Steuermann des zerstörten Flagschiffs – rohe Übersetzung des Namens: Durch Lava gesungen wie das Blütenblatt
einer Herbstrose auf der sengenden Sommerbrise –, hing jetzt an den Wänden ihres Arbeitszimmers in Yhelteth und glich beunruhigend einer riesigen, widerlichen Spinne, die aus dem angrenzenden Raum hereinsickerte. Aber der Eindruck war bestenfalls flüchtig – Angfal konnte sich ohne Hilfe nicht mehr bewegen als ein beliebiges dickes Bierfass, das in einem Kneipenkeller lagerte.
Anasharal hatte Gliedmaßen.
Es war ein Merkmal, das nicht sogleich ins Auge fiel. Archeth und die acht Männer, die Hald zu ihrer Begleitung abgestellt hatte, tappten ungeschickt über die glasige Oberfläche der unteren Hälfte des Kraters, als wateten sie durch kaltes Wasser an einer felsigen Küste, und dann richteten sich ihre Blicke auf etwas, das einer schimmeligen, halb aufgegessenen Torte, die jemand versehentlich in den Backofen zurückgestellt hatte, äußerst ähnlich sah. Die flimmernde Hitze stieg von einem annähernd halbkugelförmigen, gewellten grauen Panzer auf, der in der Mitte sauber zerteilt war. Es war die graue Kruste selbst, die rauchte, aber durch den Spalt quoll ein schwacher weißer Dunst stetig auf den glasigen Boden und kroch in Fäden umher, die eine schwache, magische Kühle verströmten. Bei genauerer Betrachtung des Bereichs, wo der Dunst hervorkam, entdeckten sie ein Loch von etwa vier Fuß Durchmesser, so etwas wie eine aufgeblühte Rose, deren Inneres herausgerissen war und in deren Mitte sich eine Art riesiges Ei hin und her wiegte.
Die Männer zogen sich zurück, wobei sie genau darauf achteten, nicht in die Pfützen des kühlen Dunstes zu treten. Sie sahen Archeth ratsuchend an. Die zuckte mit den Achseln.
»Wir wissen nicht, wie wir dir helfen sollen«, sagte sie schlicht zur Luft im Allgemeinen.
»Ja, einen Augenblick, bitte.«
Ein weiterer
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