Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Morgan
Vom Netzwerk:
Söhne dazu bestimmen, die Wissenschaft vom Töten zu erlernen, wie sie ihre Töchter dazu ausersehen, Nachkommen zu gebären, bis sie platzen – du meinst wirklich, dass die Götter einer Welt wie dieser nichts Besseres mit ihrer Zeit anzustellen
haben, als aus irgendeinem zufälligen Stück Müll in langen Jahren einen Handlanger zu formen?
    Ich hatte, Ringil schluckt einen jähen Schwall Anmaßung herunter, der in seiner Magengrube emporleckt wie Flammen, keine Ahnung, dass die Zeit eine derart kostbare Handelsware unter den Bewohnern der unsterblichen Wache war.
    Ein Pulsschlag der Stille inmitten der umnebelten Steine. Dann knurrt Dakovash, als kehrte irgendein alter Schmerz zurück.
    Nicht viele nennen uns mehr bei diesem Namen.
    Ringil zuckt die Achseln. Nicht viele können lesen. Oder kümmern sich um eine Vergangenheit, die jenseits ihrer eigenen beschissenen selektiven Erinnerung liegt.
    Er glaubt, die schattenhafte Gestalt bei diesen Worten lächeln zu sehen.
    Du klingst verbittert, Held.
    Wirklich? Ringil gestikuliert ungeduldig gegen die in seine Knochen zurückkehrende Kälte an. Ich bin nicht derjenige, der sich über fehlende Ehrerbietung seitens der Bittsteller beklagt, oder? Mir fehlt nicht die Zeit für meine unsterblichen Belange.
    Erneutes Schweigen. Zu beiden Seiten eingerahmt von den stummen Monolithen, scheint der salzige Herr ihn zu studieren wie durch die Stangen eines Käfigs.
    Schließlich sagt er dies:
    Der Marsch der Zeit ist unterbrochen, Ringil Eskiath. In dieser sanften krächzenden Stimme liegt etwas, das vielleicht Zugeständnis, Eingeständnis oder auch bloß knochentiefe Erschöpfung ist. Die Bande der Möglichkeiten lösen sich um uns her, die alten Gewissheiten liegen alle in ihren Gräbern. Katzen können nicht mehr als lebend oder tot betrachtet werden.
    Katzen … ?

    Die Stränge sind ineinander verwoben, ein Schmetterlings-Schamane irgendwo im Norden schlägt mit seinen verdammten mickrigen Flügeln, und der Sturm braut sich zusammen, bevor man es recht weiß. Chaos sammelt sich wie der Vers eines schlechten Dichters. Wir betreiben Schadensbegrenzung, aber die Regeln des Waffengangs haben sich geändert. Du meinst, wir sind glücklicher darüber als du? Wir haben unsere Grenzen erreicht, Held. Wir kämpfen halb blind, nichts funktioniert, nicht so, wie es funktionieren sollte, nicht mehr. Was der Fall wäre, nun gut … Ein Achselzucken. Sagen wir einfach, dass man in einer solchen Situation mit den Werkzeugen arbeitet, die man gerade zur Hand hat. Und apropos …
    Wie eine sausende Sichel aus Dunkelheit wirbelt der Rabenfreund, immer noch in seiner Scheide, aus dem bleichen Griff des salzigen Herrn durch das Halbdunkel, durch die Lücke zwischen den Menhiren und landet im langen, vom Wind plattgedrückten Gras zu Ringils Füßen.
    Versuche, das Schwert nicht wieder fallen zu lassen. Du wirst es brauchen.
    Ich, jetzt mit zusammengebissenen Zähnen, aus einem Wirbel von Gründen – Furcht, Wut, zunehmende Kälte –, die er nicht festmachen kann, bin nicht dein verdammter Handlanger.
    Aber als er von seinem Schwert aufschaut, ist der Platz zwischen den beiden Steinen leer. Nur eine schwache Brise weht hindurch, wie im Gefolge des Schwerts, und berührt sein Gesicht mit Kühle.
    Sie hinterlässt Spuren in dem Dunst, wie die Bewegungen einer trägen Hand im Wasser.
    Der salzige Herr ist verschwunden.
     
    Die Augen offen, auf einen blendend blauen Himmel gerichtet.
    Er blinzelte, die Sehfähigkeit zerriss durch die jähe Helligkeit.
Er richtete sich ein wenig auf und rieb sich heftig die Augen. Er war wieder auf dem ebenen Fels unter der sinkenden Nachmittagssonne. Der Rabenfreund lag an seiner Seite. Er wälzte sich herum, griff ruckartig nach dem Schwert. Bemerkte, dass er zitterte, trotz der Wärme, die der Tag immer noch in sich barg. Schlimmer – ein Fieberschauer steckte ihm in den Knochen und quälte ihn mit dem Verlangen, sich zu einem Ball zusammenzurollen. Er hustete und spürte eine Rasierklinge in seiner Kehle.
    Prächtig. Und jetzt fiel ihm der Junge aus der Nacht zuvor ein, der ihn angeniest hatte. Sumpfgrippe, genau das brauche ich jetzt.
    Er stand schwerfällig auf und sah sich um. Nickende Baumwipfel in der Brise, dicht bewaldete Hänge und im Norden eine unerreichbare Straße, die sich dort hindurchwand. Über allem hing ein schwacher blauer Dunst, der scheinbar immer dichter wurde.
    Die Schatten ein wenig länger als zuvor.
    Weiter oben am Fels

Weitere Kostenlose Bücher