Das Kapital (Gesamtausgabe)
zurück, und damit wurde die Ausgleichung der Profitrate mehr und mehr ausschließliche Sache der Konkurrenz.
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DAS KAPITAL
Bisher haben wir eine Profitrate kennengelernt nur für das Handelskapital. Denn nur Handels- und Wucherkapital hatte es bisher gegeben, das industrielle Kapital sollte sich eben erst entwickeln. Die Produktion war noch vorwiegend in den Händen von Arbeitern, die im Besitz ihrer eignen Produktionsmittel waren, deren Arbeit also keinem Kapital einen Mehrwert abwarf. Mußten sie einen Teil des Produkts ohne Entgelt an Dritte abtreten, dann in der Form des Tributs an Feudalherren. Das Kaufmannskapital konnte seinen Profit daher, wenigstens anfangs, nur aus den ausländischen Käufern inländischer oder den inländischen Käufern ausländischer Produkte herausschlagen; erst gegen Ende dieser Periode - für Italien also mit dem Niedergang des Levantehandels - mochte die auswärtige Konkurrenz und der erschwerte Absatz den handwerksmäßigen Produzenten von Ausfuhrwaren zwingen, dem Exportkaufmann die Ware unter ihrem Wert abzulassen. Und so finden wir hier die Erscheinung, daß im inländischen Detailverkehr der einzelnen Produzenten untereinander die Waren durchschnittlich zu ihren Werten verkauft werden, im internationalen Handel aber, aus angegebnen Gründen, der Regel nach nicht. Ganz im Gegensatz zur heutigen Welt, wo die Produktionspreise im internationalen und Großhandel Geltung haben, während im städtischen Kleinhandel die Preisbildung durch ganz andre Profitraten reguliert wird. So daß z.B. heute das Fleisch eines Ochsen einen größeren Preisaufschlag erfährt auf dem Wege vom Londoner Engroshändler bis zum einzelnen Londoner Konsumenten als vom Engroshändler in Chicago, inklusive Transport, bis zum Londoner Engroshändler.
Das Werkzeug, das diese Umwälzung in der Preisbildung allmählich zustande brachte, war das industrielle Kapital. Bereits im Mittelalter hatten <914> sich Ansätze dazu gebildet, und zwar auf drei Gebieten: Reederei, Bergwerk, Textilindustrie. Reederei auf dem von den italienischen und hanseatischen Seerepubliken betriebnen Maßstab war unmöglich ohne Matrosen, d.h. Lohnarbeiter (deren Lohnverhältnis unter genossenschaftlichen Formen mit Gewinnbeteiligung versteckt sein mochte), und für die Galeeren jener Zeit auch ohne Ruderer, Lohnarbeiter oder Sklaven. Die Gewerken der Erzgruben, ursprünglich genossenschaftliche Arbeiter, hatten sich in fast allen Fällen bereits in Aktiengesellschaften zur Ausbeutung des Betriebs vermittelst Lohnarbeiter verwandelt. Und in der Textilindustrie hatte der Kaufmann angefangen, die kleinen Webermeister direkt in seinen Dienst zu stellen, indem er ihnen das Garn lieferte und gegen fixen Lohn für seine Rechnung in Gewebe verwandeln ließ, kurz, indem er aus einem bloßen Käufer ein sogenannter Verleger wurde.
Hier haben wir die ersten Anfänge kapitalistischer Mehrwertsbildung vor uns. Die bergmännischen Gewerken können wir als geschlossene Monopol-Korporationen außer acht lassen. Von den Reedern liegt es auf der Hand, daß ihre Profite mindestens die landesüblichen sein mußten, mit Extrazuschlag für Assekuranz, Verschleiß der Schiffe etc. Wie aber lag die Sache mit den Textilverlegern, die zuerst direkt für kapitalistische Rechnung hergestellte Waren auf den Markt und mit den für Handwerkers Rechnung hergestellten Waren derselben Art in Konkurrenz brachten?
Die Profitrate des Handelskapitals war vorgefunden. Sie war auch schon, wenigstens für die betreffende Lokalität, zu einer annähernden Durchschnittsrate ausgeglichen. Was konnte nun den Kaufmann bewegen, das Extrageschäft des Verlegers auf sich zu nehmen? Nur eins: die Aussicht auf größeren Profit bei gleichem Verkaufspreis mit den andern. Und diese Aussicht hatte er. Indem er den Kleinmeister in seinen Dienst nahm, durchbrach er die hergebrachten Schranken der Produktion, innerhalb deren der Produzent sein fertiges Produkt verkaufte und nichts andres. Der kaufmännische Kapitalist kaufte die Arbeitskraft, die einstweilen noch ihr Produktionsinstrument besaß, aber schon nicht mehr den Rohstoff. Indem er so dem Weber regelmäßige Beschäftigung sicherte, konnte er dagegen den Lohn des Webers derart drücken, daß ein Teil der geleisteten Arbeitszeit unbezahlt blieb. Der Verleger wurde so Aneigner von Mehrwert über seinen bisherigen Handelsgewinn hinaus. Allerdings mußte er dafür auch ein zusätzliches Kapital anwenden, um Garn etc. zu kaufen und
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