Das Kapital (Gesamtausgabe)
höriger Zinsbauer oder Leibeigner, der städtische Handwerker sein Handwerk und seine zünftigen Privilegien erblich und fast unveräußerlich überkam und jeder von ihnen obendrein seine Kundschaft, seinen Absatzmarkt, ebensosehr wie sein von Jugend auf für den ererbten Beruf ausgebildetes Geschick. In diese Welt trat nun der Kaufmann, von dem ihre Umwälzung ausgehn sollte. Aber nicht als bewußter Revolutionär; im Gegenteil, als Fleisch von ihrem Fleisch, Bein von ihrem Bein. Der Kaufmann des Mittelalters war durchaus kein Individualist, er war wesentlich Genossenschafter wie alle seine Zeitgenossen.
Auf dem Lande herrschte die dem urwüchsigen Kommunismus entsprossene Markgenossenschaft. Jeder Bauer hatte ursprünglich eine gleich große Hufe, mit gleich großen Stücken Boden von jeder Qualität, und einen entsprechenden gleich großen Anteil an den Rechten in der gemeinen Mark. Seitdem die Markgenossenschaft eine geschlossene geworden war und keine neuen Hufen mehr ausgeteilt wurden, traten durch Erbschaft etc. Unterteilungen der Hufen ein und dementsprechende Unterteilungen der Markberechtigung; aber die Vollhufe blieb die Einheit, so daß es Halb-, Viertels-, Achtelshufen mit halber, Viertels- und Achtelsbe-rechtigung in der gemeinen Mark gab. Nach dem Vorbild der Markgenossenschaft richteten sich alle späteren Erwerbsgenossenschaften, vor allem die Zünfte in den Städten, deren Ordnung nichts war als die Anwendung der Markverfassung auf ein Handwerksprivilegium statt auf ein begrenztes Landgebiet. Der Mittelpunkt der ganzen Organisation war die gleiche Beteiligung jedes Genossen an den der Gesamtheit gesicherten Vor-rechten und Nutzungen, wie sich dies noch schlagend in dem Privilegium der Elberfelder und Barmer
"Garnnahrung" von 1527 ausspricht. (Thun, "Industrie am Niederrhein", II, 164ff.) Dasselbe gilt von den Gewerken der Bergwerke, wo auch jede Kux gleichen Anteil hatte und auch, wie die Hufe des Markgenossen, samt ihren Rechten und Pflichten teilbar war. Und dasselbe gilt in nicht mindrem Grad von den kaufmännischen Genossenschaften, die den überseeischen Handel ins Leben riefen. Die Venetianer und die Genuesen im Hafen von Alexandrien oder Konstantinopel, jede "Nation" in ihrem eignen Fondaco - Wohnhaus, Wirtshaus, Lagerhaus, Ausstellungs- und Verkaufsraum nebst Zentralbüro - bildeten vollständige Handelsgenos-senschaften, sie waren abgeschlossen gegen Konkurrenten und Kunden, sie verkauften zu unter sich festgestellten Preisen, ihre Waren hatten bestimmte, durch öffentliche Unter- <911> suchung und oft Abstempe-lung garantierte Qualität, sie beschlossen gemeinsam über die den Eingebornen für ihre Produkte zu zahlenden Preise etc. Nicht anders verfuhren die Hanseaten auf der deutschen Brücke (Tydske Bryggen) zu Bergen in Norwegen und ebenso ihre holländischen und englischen Konkurrenten. Wehe dem, der unter dem Preis verkauft oder über dem Preis eingekauft hätte! Der Boykott, der ihn traf, bedeutete damals den unbedingten Ruin, ungerechnet die direkten Strafen, die die Genossenschaft über den Schuldigen verhängte. Es wurden aber auch noch engere Genossenschaften zu bestimmten Zwecken gegründet, dergleichen die Maona von Genua, die langjährige Beherrscherin der Alaungruben von Phokäa in Kleinasien sowie der Insel Chios, im 14. und 15. Jahrhundert, ferner die große Ravensberger Handelsgesellschaft, die seit Ende des 14. Jahrhunderts nach Italien und Spanien Geschäfte machte und dort Niederlassungen gründete, und die deutsche Gesellschaft der Augsburger Fugger, Welser, Vöhlin, Höchstetter etc. und der Nürnberger Hirschvogel und andre, die mit einem Kapital von 66.000 Dukaten und drei Schiffen sich an der portugiesischen Expedition nach Indien 1505/06 beteiligte und dabei einen Reingewinn von 150, nach andern 175 Prozent herausschlug, 1293
DAS KAPITAL
(Heyd, "Levantehandel", II, 524) und eine ganze Reihe andrer Gesellschaften "Monopolia", über die Luther sich so erzürnt.
Hier stoßen wir zum erstenmal auf einen Profit und eine Profitrate. Und zwar ist das Bestreben der Kaufleute absichtlich und bewußt darauf gerichtet, diese Profitrate für alle Beteiligten gleichzumachen. Die Venetianer in der Levante, die Hanseaten im Norden zahlten jeder dieselben Preise für seine Waren wie seine Nachbarn, sie kosteten ihm dieselben Transportkosten, er erhielt dafür dieselben Preise und kaufte ebenfalls Rückfracht ein zu denselben Preisen wie jeder andre Kaufmann seiner "Nation".
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