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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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den
Pobacken endete, verriet Schreiber, dass die Aufnahme sicher zwanzig Jahre alt
sein musste.

    »Interessieren Sie sich für Fußball?«, fragte Katharina,
die seinen Blicken gefolgt war.

    »Ich stamme aus dem Ruhrpott.«

    »Schalke oder Dortmund?«

    »Schalke.«

    »Hätte ich mir denken können. Sie haben so was Leidendes
an sich. Dabei sind Sie doch alt genug, um die letzte deutsche Meisterschaft
noch erlebt zu haben.«

    Schreiber überhörte den Spott. »1958, drei zu null im
Endspiel gegen den HSV.«

    »Wenn Sie sich so gut auskennen, wissen Sie vielleicht
auch, wer der Keeper auf dem Bild ist.«

    Der alt gewordene Schalkefan kramte in seinen Erinnerungen
an Tausende Kicks, die er live oder im Fernsehen verfolgt hatte.
Achtzigerjahre, rumänischer Torwart, kombinierte er und kam von da auf das Europacupfinale
zwischen Barcelona und Bukarest. Beim Elfmeterschießen hatte der Bukarester
Keeper alle vier Strafstöße gehalten. Der deutsche TV-Kommentator hätte den
Mann am liebsten heim ins Reich geholt, weil der Elfmeterkiller der deutschen
Minderheit in Rumänien angehörte. Am meisten Mühe machte es Schreiber, sich an
den Namen des Torwarts zu erinnern. Weil er Katharina imponieren wollte, quälte
er sein löcheriges Gedächtnis, bis es den Namen ausspuckte. »Duckadam, Helmuth
Duckadam.«

    »Eins zu eins«, sagte Katharina. Hannes verstand Bahnhof
und guckte wohl auch so.

    »Als ich Sie auf der Jepilor -Straße
als Jäger erkannt habe, sagten Sie ›Eins zu null für Sie‹. Das mit Duckadam war
das Ausgleichstor.«

    »Woran Sie sich alles erinnern.«

    »Ich merke mir grundsätzlich, wenn ich gelobt werde. Es passiert
so selten.«

    Dann ließ sie ihn allein und verschwand für eine Weile im
Bad. Schreiber fläzte sich in den Kunstledersack und schnüffelte durch den
Bücherstapel. Es waren Taschenbücher in rumänischer Sprache, deren Autoren ihm
nichts sagten. Er überlegte, ob er bei seinen winterlichen Leseorgien je das
Werk eines Rumänen verschlungen hatte. Ihm fiel keines ein.

    Als Katharina wieder ins Zimmer kam, trug sie eine weite,
naturfarbene Leinenhose, darüber eine blaue Bluse, die perfekt zu ihren Haaren
passte. »So wird Ihre Oma Sie noch heißer lieben.«

    Hannes wunderte sich über die Röte, die in Katharinas
Gesicht schoss. Sie verschwand schnell in der Küche. »Das Bad ist frei«, rief
sie ihm über die Schulter zu.

    Zum Glück hatte er auf Reisen immer ein Hemd zum Wechseln
im Rucksack. Das holte er heraus, zog sich im Badezimmer auf engstem Raum aus,
ließ lauwarmes Wasser aus der prostatakranken Dusche über sich rinnen und
trocknete sich dann mit dem Handtuch, das Katharina ihm hingelegt hatte, ab.
Vor dem Spiegel fand er, er sehe so auch nicht besser aus als vorher. Aber er
roch besser.

    In Katharinas Dacia fuhren sie quer durch Brasov und dann
durch das postkommunistische Gewerbegebiet aus der Stadt hinaus. Vor Za rnesti bogen sie nach rechts in
die weite, fruchtbare Ebene. Die Hitze des späten Nachmittags flirrte über den
Feldern. Fuhrwerke, haushoch mit Heu beladen, ve rschwammen darin wie
Trugbilder aus einer anderen Zeit. Auf der Straße gab es mehr Schlaglöcher als
Teer.

    »Hier kannst du dich mit Tempo zehn vortasten oder mit
hundert darüber fliegen«, überbrüllte Katharina den Motor. Sie hatte sich für
die zweite Möglichkeit entschieden. Erst vor dem zweisprachigen Ortsschild ging
sie in die Eisen. Comuna Vulkan , las
Schreiber, Gemeinde Wolkendorf.

    Von der Hauptstraße bog Katharina in eine Hintergasse ab.
Einstöckige Bauernhäuser säumten die sandige Fahrbahn, die Giebel der Straße
zu, Toreinfahrten für das Fuhrwerk daneben. Pastelltöne beherrschten das Bild,
Himmelblau, Hellgelb, Zartgrün. An den Sockeln der Häuser wucherte Schorf, von
der Nässe, die aus dem Boden ins Mauerwerk zog. Katharina parkte den Dacia
unter einer Eiche. Im Graben stritten drei Gänse um das Wasser, das die
Sommersonne übrig gelassen hatte.

    Vor einem lindgrünen Haus saß eine alte Frau auf der Bank
und strickte. Ihre Katzen spielten mit dem Wollknäuel. Die Alte schimpfte mit
ihnen in einer Sprache, die Schreiber noch nie gehört hatte. Aber sie meinte es
nicht ernst. Als die Miezen von dem Knäuel abließen, stupste die Frau es mit
dem Fuß an, und das Spiel ging weiter.

    »Das ist meine Disi.« Katharina ging auf die Frau zu und
umarmte sie lange und fest. Ihre Großmutter war einen Kopf kleiner als sie und
verschwand fast in den Armen der Enkelin. Die

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