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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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der Aufregung oder
dem Rennen oder beidem. Die Sommersprossen rund um ihre Nase glühten. Sie
wischte sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, lächelte schief und trank.

    »Danke«, sagte sie und gab die Flasche zurück.

    »Der Einzige, der hier Danke sagen muss, bin ich. Sie
haben was bei mir gut, Katharina.«

    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Sie in diese Situation
gebracht. Da muss ich Sie auch wieder rausholen.«

    Schreiber trank, bis ihm das Wasser am Kinn hinunterlief.
»Ich wollte nicht wegrennen«, sagte er kopfschüttelnd.

    »Vielleicht war es nur ein Scheinangriff. Dann ist weglaufen
falsch, weil es den Hetztrieb auslöst. Aber ich glaub nicht, dass die Bärin
geblufft hat. Die meinte es todernst. Ihr Junges saß in der Falle und sie
lungerte in der Nähe rum, um es zu beschützen.«

    »Und was machen wir jetzt?«

    »Gute Frage. Wir können das Kleine nicht in der Falle
sitzen lassen. Ich glaube nicht, dass die Alte es durch die Gitterstäbe säugt.
Wenn wir es nicht rausholen, verhungert es.«

    »Soll das heißen, Sie wollen da noch mal hin?«

    Katharina sah den Reporter von unten herauf an. »Was
machen Sie, wenn Sie einen Keiler angeschossen haben, Hannes?«

    »Nachsuche. Ich geh hinterm Hund die Fährte aus und
versuche, ihm den Fangschuss zu setzen. Wenn es schwierig wird, hol ich Hilfe
von einem professionellen Schweißhundführer.«

    »Genau das werde ich jetzt auch tun.« Sie kramte ihr
Handy aus dem Rucksack, wählte eine Nummer und redete ziemlich schnell ziemlich
rumänisch. Es ging eine Weile hin und her. Einmal wurde Katharina richtig laut.
Aber am Ende schien man sich zu einigen.

    »Wer war das?«, fragte Schreiber.

    »Meine Freunde vom Forstamt.« Katharina blies sich, mehr
um Dampf abzulassen, drei Haare aus der Stirn. »Sie schicken jemanden mit einer
Schrotflinte. Nur mit meinem Spraydöschen geh ich da nicht noch mal hin.«

    »Was ist eigentlich drin in Ihrer Wunderwaffe?«

    »Capsaicin. Eine Art Chiliextrakt. Es reizt die Schleimhäute.
Zum Glück vergeht die Wirkung schnell wieder. Keine bleibenden Schäden. Unsere
Freundin da oben sollte jetzt schon wieder fit sein.«

    »Gut zu wissen«, sagte Schreiber. »Ich mein, wenn wir
gleich wieder hingehen.«

    Katharina sah ihn voll an. Erst jetzt fiel ihm auf, dass
ihre Augen nicht blau waren, sondern bernsteinfarben.

    »Seien Sie mir nicht böse, Hannes. Ich möchte nicht, dass
Sie noch mal mitkommen. Es hat weniger mit Ihrer Flucht zu tun. Das kann jedem
passieren. Ich will Sie nicht noch mal in Gefahr bringen. Kann sein, dass die
Bärin jetzt nicht mehr so gut auf das Capsa reagiert wie vorhin. Und der
Förster möchte sicher auch keinen Journalisten dabeihaben, wenn es zum
Äußersten kommt.«

    Schreiber kam sich blöd vor, von einer jungen Frau so abgewimmelt
zu werden. Insgeheim war er jedoch froh darüber. Das hatte nicht nur mit der
Angst vor der Bärin zu tun. Er wollte auch niemandem vom Forstamt begegnen. Der
Teufel ist ein Eichhörnchen, sagten sie zu Hause im Ruhrpott. Am Ende war es
ausgerechnet ein Typ, der Teddy und ihn bei den Fütterungen beobachtet hatte.

    »Eine Bärenattacke am Tag reicht für einen älteren Herren«,
sagte Hannes. »Ich setz mich in die Straßenkneipe von gestern Abend und warte
auf Sie.« Er warf seinen Rucksack auf die Schultern und tippte den Zeigefinger
an den Mützenschirm.

    Katharina lächelte süßsauer. »Nehmen Sie ein gutes Buch
mit. Es kann dauern.«

     

17

    Die Kellnerin brachte ihm sein Ursus. Er wollte die Flasche an den Mund führen, musste sie aber
wieder absetzen, so sehr zitterte seine Hand. Er hielt die linke daneben, sie
vibrierte genauso stark. Schließlich fasste er die Pulle mit beiden Händen wie
ein älterer Säugling sein Fläschchen. Schreiber nahm einen ordentlichen Hieb,
verschluckte sich wegen der merkwürdigen Trinktechnik und hustete. Die
Bauarbeiter am Nachbartisch warfen ihm die Blicke zu, die sie für westliche
Weicheier bereithielten.

    Hannes versuchte, nicht mehr an die Bärin zu denken. Das
Gefühl, hilflos auf dem Rücken zu liegen wie ein Marienkäfer und darauf zu
warten, dass das Biest angriff, war der mit Abstand übelste Teil der
Veranstaltung gewesen. Es gab vermutlich nur eine Steigerung: wenn die Bärin es
tatsächlich tat.

    Er streckte die Beine unterm Tisch aus, drückte den
Rücken durch und ächzte. Langsam löste sich der Knoten in seinem Bauch. Von der
Schule drang Kinderlärm herüber. Frauen stiegen aus dem Bus, der

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