Das Karpaten-Projekt
dieser Verfassung war Bartelmus nur zu stoppen, wenn
man dagegenhielt. »Reden wir jetzt über die Geschichte, Stefan, oder befinden
wir uns schon im Arbeitsrecht?«, fragte Schreiber. »Dann hol ich mir nämlich
einen vom Betriebsrat dazu. Die sind, was Abfindungen angeht, fitter als ich.
Und wahrscheinlich auch als du.«
Stefan schnappte nach Luft. »Ich hätte euch alle siezen
sollen, als ich Chefredakteur geworden bin!«, brüllte er. »Und vor allem ihr
mich! Dann würdet ihr euch nicht solche Frechheiten herausnehmen. Unter Fink
haben alle gekuscht. Als Chefredakteur hat er euch behandelt wie den letzten
Dreck, und ihr seid trotzdem auf sein Kommando losgedackelt. Wenn ich was sage,
wird immer erst diskutiert!«
»Stefan«, sagte Schreiber so ruhig wie möglich, »jetzt mach
mal ’n Punkt. Ich hab nicht mit dir diskutiert. Ich bin klaglos nach Rumänien
geflogen, hab mir fast den Arsch abschießen lassen und bin jetzt
zurückgekommen, um mit dir über die Geschichte zu reden.«
»Und warum erzählst du der Steinkamp, ich hätte dich
zurückbeordert?«
»Das war eine Notlüge. Kann ich denn wissen, dass die
blöde Kuh nichts Besseres zu tun hat, als sofort bei der Kandidatin anzurufen,
und die Kandidatin dann bei dir? Du hast recht, es war nicht in Ordnung, dass
ich mich hinter dir versteckt habe. Sorry, Stefan, soll nicht wieder vorkommen.
Aber dass ich zurückgekommen bin, dafür hab ich gute Gründe.«
»Die solltest du besser auch haben.«
Schreiber hielt es für ein Anzeichen von Entspannung,
dass Bartelmus mit dem Bürosessel zurückrollte und die Beine auf den
Schreibtisch legte wie in den alten Tagen, als sie im Ressort zusammen
Geschichten ausgeheckt hatten. Damals hatte er meist vor Stefans Schreibtisch
gesessen, die Sohlen gegen die Tischkante gestützt, mit dem Besucherstuhl auf
zwei Beinen wippend. Das traute er sich nun nicht mehr. Hannes stand auf und
ging im Zimmer auf und ab, während er von seinen rumänischen Abenteuern
berichtete. Das Büro des Chefredakteurs war so weitläufig, dass er fast
schreien musste, wenn er am Bullauge angelangt war.
Vorsichtshalber erzählte er Stefan die Geschichte noch
mal von Anfang an. Bei Bartelmus’ täglichem Input konnte man fast sicher sein,
dass er den Inhalt ihres Telefonats nicht mehr präsent hatte. Schreiber
schilderte das Vergällen des Bärenfutters mit stinknormalem Diesel, berichtete
vom Tod des Forstamtsleiters und dass sie Diana Steinkamps Bärenflüsterer
deswegen suchten. Er breitete vor allem seine Zweifel an den edlen Motiven der
Schuhverkäuferin aus. Von seinem Plan, den alten Steinkamp zu besuchen, sprach
er auch. Bartelmus ließ ihn ausnahmsweise einmal ausreden. Schreiber nutzte die
Gelegenheit, um ihm Katharina Orends Müllbärenprojekt vorzustellen.
»Die Frau ist wirklich tough, Stefan. Die hat mir das
Leben gerettet, als uns eine Bärin attackiert hat. Eine junge Biologin aus
Deutschland, tausendmal seriöser als Teddy, der Bärenflüsterer. Über die
sollten wir was machen.«
»Daher weht der Wind«, sagte Bartelmus. »Der alte Hannes
findet eine junge Biologin, und schon interessiert ihn mein Bärenflüsterer
einen Dreck.«
Schreiber konnte es nicht lassen. »Seit wann denkst du
denn in solchen Kategorien, Stefan? So was hat dich doch früher nie
interessiert.«
»Hast also schon den Flurfunk gehört. Statt zu arbeiten
zerreißen sich die Waschweiber beiderlei Geschlechts das Maul über mich. Eine
Quatschbude ist das hier und keine Redaktion.«
Bartelmus’ Handy lülülüte. Er nahm den Hörer ab und wurde
tatsächlich rot. Hörte eine Weile zu, sagte nur Ja und Nein und dann: »Ich ruf
dich gleich zurück, Spatz.«
»Hab ich gerade ›Spatz‹ gehört?«
»Jetzt werd mal nicht frech, Hannes. Deine Biologin
kannst du vergessen. Wir machen was über den Bärenflüsterer. Punkt. Meinetwegen
sprich mit dem alten Steinkamp. Aber dann fliegst du zurück nach Rumänien und
machst die Geschichte. Ist doch jetzt richtig spannend mit dem Mord.«
Schreiber argumentierte noch ein wenig herum, sprach über
die Bärenpopulation, die gar nicht so gefährdet sei, wie die Steinkamp
behaupte. Feinheiten, die Bartelmus noch nie interessiert hatten. »Jetzt fängst
du doch noch an zu diskutieren, Hannes. Ich will aber keine Diskussionen,
sondern die Geschichte, die ich bestellt hab, verstanden?«
Schreiber grimassierte, ohne zu antworten.
»Und jetzt hau endlich ab«, sagte Stefan, »ich muss den
Spatz
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