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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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Bewegung erstarren lassen.

    Ein Steinbock zum Sprung ansetzend, die Hinterläufe noch
auf felsigen Grund, die Vorderläufe bereits angewinkelt in der Luft, den Kopf
mit den wulstigen Hörnern leicht schief gehalten, wie wenn er auf einen unter
ihm stehenden Nebenbuhler einstoßen wollte. Ein fetter Fuchs, der gerade einen
Fasan gerissen hatte. Federn klebten an seinem Fang. Einen Fuß auf die Beute
gestemmt, stand er mit durchgedrücktem Rücken im Gras. Seine schwarze
Luntenspitze peitschte die Halme. Im nächsten Moment würde er wieder die Zähne
ins Brustfleisch des Gockels versenken. Blut und Speichel klebten an seinem
Maul. Ein Auerhahn auf einem Kiefernast im Augenblick des Abflugs. Die Flügel
ausgebreitet, einen befederten Fuß schon in der Luft, den anderen gerade
abstoßend, um ins Reich der Lüfte vorzustoßen. Ein Rehbock, dem der blutige
Bast von den Geweihspitzen baumelte. Mit gesenktem Kopf schlug er auf einen
Weidenbusch ein, um auch den Rest der schützenden Hülle, unter der seine
knöchernen Spieße gewachsen waren, loszuwerden.

    Es gab auch einen röhrenden Hirsch. Nicht in Öl an der
Wand, im Fell auf einem Stück Wiese stand der König der Wälder. Die Brunftmähne
wie eine dunkle Stola um den Hals, den Kopf mit dem riesigen Geweih in den
Nacken geworfen, das zahnlos wirkende Maul zum Schrei geöffnet. Nur der im
kalten Herbstmorgen dampfende Atem des Sechzehnenders fehlte, und natürlich
sein rülpsendes Rufen, flüchtiger, als dass der beste Präparator der Welt es
hätte einfangen können.

    Schreiber wanderte wortlos durch die Versammlung der
toten Tiere. Je länger er diese Nachbildungen des Lebens betrachtete,
Kunstwerke, die mit den ausgestopften Pelzwürsten vergangener Zeiten nichts
gemein hatten, desto heftiger fragte er sich, warum Jägern wie Steinkamp, und
vielleicht auch ihm selbst, der Anblick des lebendigen Tieres in freier
Wildbahn nicht reichte, warum sie es erst töten und dann von einem Fachmann
scheinbar wieder zum Leben erwecken lassen mussten. Er konnte Leute, die
darüber den Kopf schüttelten, verstehen.

    Am Ende seines Rundgangs entdeckte Hannes noch einen
Bären. Er stand in einer Nische bei der Sitzgruppe. Er war einen Bärenkopf
größer als der Reporter und die Spitzen seines Fells schimmerten hell im Licht
der Strahler. Steinkamp hatte den Petz nicht in der üblichen Pose präparieren
lassen: Pranken drohend erhoben, den zähnefletschenden Fang weit aufgerissen.
Dieser Brauni stand zwar auf den Hinterbeinen, aber seine Vordertatzen hingen
angewinkelt herab wie bei einem Männchen machenden Hund. Eine Stellung, die
Bären einnahmen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Der Petz guckte nicht
aggressiv, sondern neugierig zu dem Besucher herüber.

    »Karpatenbär?«

    »Aus dem Geisterwald. Vor knapp zwei Jahren erlegt.«

    »Am Luder?« So nannten Jäger Fleischköder wie den toten
Gaul, den Schreiber an der Bärenfütterung hängen gesehen hatte.

    Steinkamp schüttelte den Kopf. »Ich bin zwar inzwischen
ein fetter alter Sack«, sagte er, und es hörte sich nicht so an, als wolle er
Widerspruch provozieren, »aber diese Art zu jagen gefällt mir nicht. Der Bär
ist mir bei einer Drückjagd gekommen. Ich saß auf meinem dreibeinigen Höckerchen
im Altholz und habe Blut und Wasser geschwitzt, als der Kerl auftauchte. Er hat
sich genauso auf die Hinterbeine gestellt, wie er da jetzt steht. Gott sei Dank
musste ich nicht spitz von vorn schießen. Er rannte auf zwanzig Schritt breit
an mir vorbei. Ich hab ihn tiefblatt erwischt. Er sackte im Knall zusammen.«

    »Und was hat Ihre Tochter dazu gesagt?«

    »Damals interessierte sich Diana noch nicht für Bären.«

    Steinkamp fläzte sich in eins der beiden Ledersofas und
winkte Schreiber in das andere. Dazwischen stand ein Couchtisch, wie ihn der
Reporter noch nicht gesehen hatte. Eine runde Glasscheibe schwebte auf dem
entrindeten Wurzelwerk eines Baumes. Ein Tablett mit Karaffen stand darauf. Die
Brauntöne der Spirituosen brachen sich in den Kristallfacetten wie Edelsteine.
Der Alte griff sich eine viereckige Flasche, nahm den Glasstöpsel ab und
schnüffelte. »Kann man noch trinken«, sagte er und goss zwei Whiskygläser halb voll.

    »Wasser nehmen Sie sich selbst.« Er schob Schreiber ein
Kännchen über den Tisch. All das geschah ohne zu fragen und mit der gleichen
Selbstverständlichkeit, mit der man in holländischen Haushalten ein kopje coffee bekommt oder eine Linie
Kokain in einer Düsseldorfer

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