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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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zurückrufen.«

     

19

    Der Mann besaß tatsächlich kein Vorzimmer. Hubertus Steinkamp
residierte in einem Büro, dessen Tür zum Flur offen stand. Schreiber hatte am
Empfang danach gefragt und war ohne Weiteres in den ersten Stock verwiesen
worden. Er passierte braune Blumenkübel, in denen Birkenfeigen dürsteten. Von
außen wirkte die Zentrale der Firma Steinkamp wie ein Schuhkarton aus den
Siebzigerjahren, auf den Fluren staubten die dazugehörigen Treter in Kieferregalen
zu. Es gab keine Schilder an den Türen im ersten Stock, Schreiber fragte einen
der über den Gang schleichenden Menschen nach Steinkamps Büro. »Der Senior?
Hinten links.«

    Nun stand er vor der offenen Tür. Drinnen redete jemand
sehr laut. In den Pausen kam keine Antwort, Steinkamp telefonierte. Es ging um
Leder. Der Reporter wartete etwas. Erst als ein anderer Besucher an ihm vorbei
ins Büro des Chefs huschte, ging er hinterher.

    Hubert Steinkamp hatte auch keinen Schreibtisch. Er saß
am Kopfende eines fünf Meter langen Besprechungstisches, vor sich Telefon, Block
und Kuli, sonst nichts. Der Unternehmer sah älter aus als auf den Fotos in den
Wirtschaftsblättern: Das straff aus der hohen Stirn gekämmte Haar war grauer,
seine Hamsterbacken trennte eine tiefe Furche von den Mundwinkeln. Fleischige
Lippen, die bei Zischlauten sprühregneten. Halsmäßig erinnerte Steinkamp an
Franz Josef Strauß. Er hatte keinen, nur einen Fleischwulst über dem
Hemdkragen. Trotz seiner siebzig Jahre trug er keine Brille, nicht mal eine zum
Lesen.

    Während seiner Malibu -Jahre
hatte Schreiber eine Menge Promis aus dem Pott porträtiert. Hubertus Steinkamp,
der reichste Mann Gelsenkirchens, gehörte nicht dazu. Obwohl lange nicht so
scheu wie die Albrecht-Brüder, war er nie in den Schlagzeilen gewesen und hatte
von sich aus nichts getan, um hineinzukommen. Selbst die sportlichen Erfolge
seiner Tochter waren, was PR für sein Unternehmen anging, ungenutzt an ihm
vorübergegangen. Er produzierte und verkaufte Schuhe, die auch nicht dazu
angetan waren, einen Medienhype loszutreten: bequeme, billige Schleicher für
die Massen. Schreiber hatte sich auf einen Langweiler eingestellt, als er im
ICE von Hamburg in seine alte Heimat gefahren war.

    Irgendwann hörte Steinkamp auf zu telefonieren und legte
auf. Er sah sich seine beiden Besucher an. Den Reporter konnte er
offensichtlich nicht einordnen. Deshalb fragte er zuerst Herrn Schultheiß, was
er denn schon wieder wolle. Der Mann wollte einen freien Tag, weil seine Frau
krank und seine Kinder unbetreut waren.

    »Wie viele haben Sie denn eigentlich?«

    »Vier, Chef.«

    »Hätt ich Ihnen gar nicht zugetraut, Schultheiß. Aber
find ich toll. Die können dann später Ihre Rente bezahlen. Nur heute?«

    Schultheiß schaute irritiert.

    »Ob Sie nur heute freihaben wollen?«

    »Heute reicht, Chef. Morgen kommt meine Schwiegermutter
zum Aufpassen.«

    »Wenn die kommt, gehen Sie lieber arbeiten, was?«
Steinkamp lachte dröhnend über seinen Scherz. »Okay, Schultheiß, geh zu Frau
und Kind. Aber sagen Sie vorher in der Personalabteilung Bescheid.«

    Der fruchtbare Angestellte bedankte sich und verschwand.

    »Und wer sind Sie?« Der Big Boss sah Schreiber neugierig
an.

    »Hannes Schreiber, Reporter vom Magazin. « Er schob Steinkamp seine Visitenkarte über den Tisch.

    »Aha, die linke Kampfpresse.«

    Schön wär’s, dachte Schreiber und sagte: »Das ist lange
her, Herr Steinkamp, falls es je stimmte.«

    »Ehrlich gesagt lese ich Ihr Blatt nicht. Höchstens, dass
ich mal beim Friseur einen Blick reinwerfe.«

    »Das sagen die meisten. Trotzdem verkaufen wir eine
Million Hefte pro Woche.«

    »Ich wusste gar nicht, dass es so viele Hypochonder gibt.
Immer wenn mir das Magazin in die
Hand kommt, geht es um Krankheiten auf dem Titelblatt. Neulich sogar um
Hämorrhoiden. Sagen Sie mal, verkauft sich so was Unappetitliches eigentlich?«

    »Kommt drauf an, wie Sie es aufbereiten. Mein Chefredakteur
hatte sich für die Geschichte als Schlagzeile ›Leben im Arsch‹ ausgedacht. Das
haben sie ihm zum Glück ausreden können.«

    Steinkamp lachte wabbelnd. »Was führt einen Reporter aus
dem feinen Hamburg denn zu uns ins Ruhrgebiet, Herr …«, er warf einen
Blick auf die Visitenkarte, »Herr Schreiber. Wir kommen bei Ihnen doch nur vor,
wenn Sie versoffene Arbeitslose abwatschen wollen.«

    »Dafür, dass Sie das Magazin nur beim Friseur durchblättern, kennen Sie sich ganz gut aus.«

    »Ist mir

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