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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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Versicherungsvertreterdynastie
in Quadrath-Ichendorf stammten.

    Dafür, dass ihre Stadt schön war, konnten die Hamburger
nicht viel. Sie lag einfach an der Elbe. Schreiber genoss den Blick auf den
silbrigen Strom, als seine U-Bahn aus dem Tunnel auftauchte und, in den Kurven
kreischend, auf Metallstelzen gen Landungsbrücken glitt. Er fuhr eine Station
weiter als nötig, um auf dem Weg in die Redaktion noch ein paar Hundert Meter
die Uferpromenade entlangzuwandeln. Es waren nicht allzu viele Touristen
unterwegs. Sommer war keine Saison für Städtereisende. Trotzdem rochen die
Fischbuden schon nach warmem Altöl. Ein als Kapitän kostümierter Marktschreier
koberte ein Grüppchen schwäbelnder Musicalliebhaber für seine Hafenrundfahrt
an. Zum Glück schrien die Möwen lauter als er.

    Schreiber riss sich von der Elbe los und stiefelte rüber
zum Verlagshaus. Der Securitygorilla am Empfang verlangte seinen Hausausweis.
Der Reporter fand ihn in seiner Aktentasche und drang ins Mutterhaus vor. So
nannten sie in den Außenbüros des Magazins die Zentralredaktion des Blattes. Weil im Saal die Themenkonferenz tobte, waren
die Flure leer und still. Er schlenderte ins Sekretariat seines alten Ressorts,
trank mit den Sekretärinnen einen Kaffee und ließ sich von ihnen auf den
aktuellen Stand des beim Magazin ›Flurfunk‹
genannten Klatsches bringen. Das jüngste Gerücht betraf Bartelmus. Seine Ehe
sei im Arsch, erzählte die an Drastik schwer zu übertreffende Uschi. »Er hat
was mit der Nachbarin angefangen.«

    Schreiber glaubte es nicht. Trotz seines guten Aussehens
strahlte Stefan B. etwas Asexuelles ab. Er war mit seinem Blatt verheiratet und
hatte kaum Zeit für seine Frau, geschweige denn für eine Freundin. Beim Magazin gab es ein paar Redakteurinnen,
die liebend gern enger unter ihm gearbeitet hätten. Bartelmus schien überhaupt
keine Antennen für ihre Signale zu haben. Als Liebhaber konnte sich Schreiber
seinen Chefredakteur nicht vorstellen, doch Uschi beschwor die Seriosität ihrer
Information beim Augenlicht ihrer drei Maine-Coon-Katzen, die sie aus ›den
Staaten‹ mitgebracht hatte. Es musste etwas dran sein an der Geschichte.

    Als die ersten Kollegen aus der Konferenz eintrudelten,
voller Spott über die lächerlichen Themenvorschläge, die andere Ressorts durchgebracht
hatten, und frustriert über die eigenen Flops, machte sich Schreiber auf. »Sei
vorsichtig, Hannes«, gaben sie ihm mit auf den Weg, »der Alte hat eine
Scheißlaune.«

    Sie hatten recht. Stefan saß hinter seinem Schreibtisch
und schaute nicht mal auf, als Schreiber den Raum betrat. Er hämmerte mit zwei
Fingern auf die externe Tastatur seines Laptops, wie wenn er den Buchstaben
böse wäre. Der Empfänger der Mail war nicht zu beneiden. Sie würde vor
Tippfehlern und Grobheiten strotzen. Um sich abzulenken, starrte Schreiber aus
dem Bullauge in der Wand auf den Hafen. Es war ein wunderbarer Blick, aber
Bartelmus hatte kein Auge dafür. Schreiber hatte ihn noch nie von dort aufs
Wasser schauen sehen.

    »So«, sagte Stefan, haute noch einmal auf eine Taste. Mit
einem ›Wusch‹ meldete der Computer den Abgang der Mail. »Und nun zu dir,
Hannes. Setz dich, es dauert länger.«

    Dann legte er los. »Hier macht in letzter Zeit jeder, was
er will! Als ob wir ein Selbstverwirklichungskurs wären und keine
Zeitschriftenredaktion. Ich bestelle eine Geschichte und drei Wochen später
krieg ich gesagt, dass die Story, wie ich sie mir vorstelle, nix taugt. Zwanzig
Tage hat das Ressort gebraucht, dann ist die Geschichte unter der Last der
Recherche zusammengebrochen. Wir sind doch hier nicht beim Hundertjährigen
Kalender, wir machen jede Woche ein Heft! Draußen boxt der Papst im Kettenhemd,
die Politik überschlägt sich fast, und hier: Still ruht der See. Das hätte ich
mir früher mal bei der Tageszeitung erlauben sollen. Die hätten mich nach zwei
Wochen rausgeschmissen!«

    Bartelmus griff zur Nivea -Dose,
drehte den klemmenden Deckel mit Gewalt ab, nahm einen Fingervoll Creme und
verteilte ihn sie kreisenden Händen in seinem Gesicht. »Apropos rausschmeißen«,
sagte er, »wenn du noch einmal so eine Scheiße über mich erzählst, Schreiber,
dann schmeiß ich dich raus! Egal, wie lange du schon hier bist. Nicht mal eine
Abfindung kriegst du von mir! Keinen Cent zahl ich an Leute, die Politikern
erzählen, ich hätte sie von Geschichten abgezogen, nur weil sie zu faul zum
Arbeiten sind oder ihnen sonst ein Furz quer sitzt.«

    In

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