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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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Werbeagentur. Schreiber nippte an seinem Whisky.
Er roch wie ein Ballen Torf und schmeckte wie flüssiger Rauch, mit einem Wort:
klasse. Er gab einen Spritzer Wasser ins Glas und nahm gleich noch einen
Schluck. Der Geschmack des Single Malts lastete lange auf der Zunge. Das Leben
war viel zu kurz, um schlechten Schnaps zu trinken.

    »Wie ist Ihre Tochter denn an diesen komischen Bärenflüsterer
geraten?«

    Steinkamp lachte bitter. »Sie meinen diesen Teddy? Ich
weiß nicht, woher Diana den kennt. Vielleicht von dieser unsäglichen
Tierschutzorganisation. Petra, oder
wie die heißt. Lieber nackt als im Pelz. Kennen Sie doch auch, diese Kampagne
mit den magersüchtigen Models. Bei denen mischt meine Tochter seit Neuestem
mit. Ich hab den Kerl scannen lassen. Von den Sicherheitsheinis, mit denen mein
Unternehmen zusammenarbeitet. Der junge Mann hat sein Biologiestudium
erfolgreich abgebrochen. In der Szene erzählt er, dass er sich geweigert hat,
an Tierversuchen teilzunehmen. Deshalb hätten sie ihn von der Uni geschmissen.
Mumpitz! Der hat an der Uni nur ein Gastspiel gegeben. Viel zu kurz, um an
Tierversuchen beteiligt zu werden.«

    Schreiber nahm noch einen Hieb von seinem Whisky.
Steinkamp auch.

    »War er denn wenigstens in den USA?«

    »Hat er Ihnen das erzählt? Davon ist mir nichts bekannt.
Im Dossier der Securityleute ist von Hilfsarbeiterjobs in Ostdeutschland die
Rede.«

    »Kann ich das mal lesen?«

    Steinkamp hüpfte mit der Behändigkeit, die manchen Dicken
eignet, auf die Beine und ging rüber zu seinem Schreibtisch. Er zog Schubladen
auf, fand in der dritten, was er suchte, kam mit einer Mappe zurück und schob
sie Schreiber über den Tisch. Sie enthielt zwei DIN-A4-Blätter, deren Inhalt
der Reporter überflog. Steinkamp füllte ihnen derweil Whisky nach und süffelte
grimmig daran herum.

    »Sebastian Sellemerten«, sagte Schreiber, mehr zu sich
selbst. »Wie sind Sie denn an den Klarnamen unseres Teddys gekommen?«

    »Merres«, sagte der Alte, sonst nichts.

    Schreiber nahm einen Schluck Whisky ohne Wasser und
stöhnte. »Ich soll eine Geschichte über den Typen schreiben. Der tolle deutsche
Tierschützer, der den rumänischen Braunbären vorm Aussterben rettet. Ihre
Tochter hat sie meinem Chef eingeredet, zusammen mit der Kandidatin. Die beiden
scheinen ja dicke Freundinnen zu sein.«

    »Ich hab die Schwatten immer gewählt«, sagte Steinkamp, »und
eine Zeit lang hab ich denen sogar Geld gespendet. Damals, als man das noch
besser von der Steuer absetzen konnte. Aber damit ist Schluss. Wenn diese Frau
zusammen mit der liberalen Schwuchtel an die Macht kommt, erkennen Sie dieses
Land in fünf Jahren nicht mehr wieder.« Er nahm einen aufgeregten Schluck. »Man
kann über den Dicken ja denken, was man will, aber der wusste genau, dass eine
Volkspartei nicht nur Politik für die oberen Zehntausend machen kann. Sonst
bricht die Gesellschaft irgendwann auseinander.« Und nach einer Pause,
grinsend: »Und meine Kundschaft kann sich keine neuen Schuhe mehr leisten.«

    Schreiber traute seinen Ohren nicht. Im Archivmaterial
hatte sich Steinkamp noch anders angehört. »Sie lassen Ihre Treter doch auch in
Rumänien schustern«, sagte er, »weil die da für’n Appel und ’n Ei arbeiten.«

    »Da steh ich auch zu. Sonst könnten die Leute, die in
meine Läden kommen, sich die Schuhe gar nicht leisten. Aber ein Viertel der
Produktion hab ich in Deutschland belassen. Die schwierigen Nähte, die kriegen
die Rumäninnen nämlich nicht hin. Dafür hab ich mein Werk in Gelsenkirchen. Und
solange ich hier das Sagen habe, bleibt das auch hier.« Steinkamp war laut
geworden. Er schabte mit den ledernen Hausschuhen über den Perser wie
Schreiber, wenn er vor’m Fernseher ein Fußballspiel verfolgte. Ihre Gläser
schienen leck zu sein. Jedenfalls war schon wieder nichts mehr drin. Steinkamp
füllte mit zittriger Hand nach.

    »Da kann man Ihren Arbeiterinnen ja nur wünschen, dass
Sie noch lange machen«, sagte der Reporter. Dies war ein Test. Er
funktionierte.

    »Denen schon.« Steinkamp schaute zu seinem Bären hinüber
und durch ihn hindurch in die Weiten des Emscherbruchs.

    »Ihrer Tochter nicht?«

    Steinkamp starrte weiter in die Landschaft. Die Längsfalten
in seinem Gesicht zuckten ein wenig. Die Kiefermuskeln mahlten. Nach ein paar
Augenblicken riss er sich von seinem Bären los und fixierte Schreiber. »Doch«,
sagte er, »der auch.«

    Fast hätte Schreiber »Warum?« gefragt. Dann fiel ihm

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