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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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der Forstamtsleiter von Brasov erschossen worden
ist, wissen Sie schon, oder?«

    Hubertus Steinkamp war mit den Gedanken noch woanders. »Was
sagten Sie gerade?«

    Schreiber wiederholte seine halbe Frage. Steinkamp
nickte. »Ich hab viel bei Ion Hulanu gejagt. Mein Bär kommt auch aus seinem
Wald. Ion war ein Schlitzohr. Mit allen Wassern gewaschen. Von allen Hunden
gehetzt. Wenn ein bisschen was für ihn hängen blieb, hat er manches möglich
gemacht.«

    »Haben Sie eine Ahnung, wer hinter der Tat stecken
könnte?«

    »Ich dachte, die suchen diesen Teddy.«

    »Ich glaube, der war es eher nicht.«

    Steinkamp leerte sein Glas. »Da bin ich mir nicht so
sicher. Im Februar war ich auf der Jagdmesse in Dortmund. Da standen Typen wie
Teddy vor der Halle, mit Hass in den Augen pöbelten die die Leute an. Ein
Transparent hatten sie auch dabei. Den
Hasen das Leben, den Jägern den Schrot, stand drauf. Wer so was schreibt,
der schießt auch.«

    »Diese Häschenstreichler wissen doch gar nicht, was eine
Schrotgarbe beim Menschen anrichten kann. Die halten das für witzig. Ein paar
Schrotkörner im Jägerarsch, das war’s.« Dann erzählte Schreiber dem Alten seine
Erlebnisse während der Nacht, in der es den Forstamtsleiter erwischt hatte.
Beim Reden fiel ihm auf, das Sebastian Sellemerten alias Teddy sehr wohl
Gelegenheit gehabt hatte, diesen Hulanu zu erschießen. Ob auch die Waffe dafür,
wusste der Reporter nicht. Er konnte sie irgendwo im Wald versteckt haben.

    Weil Schreiber schon ordentlich einen im Tee hatte, ließ
er sich zu allerhand Klamauk hinreißen, als er auf seine Flucht zu sprechen
kam. Sein langer Marsch auf Socken gefiel dem Unternehmer besonders gut.

    »Wir müssen unbedingt mal zusammen jagen gehen, Schreiber«,
sagte er. »Wie alt sind Sie eigentlich genau?«

    »Siebenundfünfzig.«

    »Halbes Kind«, frotzelte Steinkamp. »In dem Alter hab ich
noch die Rinde von den Bäumen gepisst.«

    »Da wär ich gern dabei gewesen.«

    Der Alte beäugte die fast leere Whiskykaraffe. Er
verteilte den Rest brüderlich und hob sein Glas wie Admiral von Schneider in Dinner for One. »Ich heiße Hubert, und
du?«

    »Hannes. Nur meine Mutti sagt Hans-Jürgen zu mir.«

    »Prost, Hannes.«

    »Prost, Hubert.«

    Sie verschränkten die Arme beim Bruderschaft-Trinken. Die
ganz alte Ruhrpottschule war das.

    Schreiber war zu besoffen, um sich große Gedanken über
seinen Duzfreund zu machen. Er hing in seinem Sofa, ganz eins mit sich und dem
Abend, und fing an, lustige Geschichten aus seinem Jägerleben zu erzählen. Von
seinem ersten italienischen Wildschwein schwadronierte er, das sich nach dem Erlegen
als Stachelschwein entpuppt hatte. Wie die von Passanten alarmierte Polizei mal
seinen Kumpel Werner bei der Kaninchenjagd fast in die Zwangsjacke gesteckt
hatte, weil er mit dem Kopf im Karnickelbau steckte und pausenlos »Bärchen,
komm!« gerufen hatte. Werner nannte seine Frettchen grundsätzlich Bärchen, und
eins von den Biestern hatte mal wieder vor lauter Jagen das Zurückkommen
vergessen.

    Schreibers neuer Freund hatte auch ein paar hübsche
Geschichten auf Lager, die er beim Leeren der nächsten Karaffe zum Besten gab.
Am Ende verabredeten sich die beiden zur Jagd in den Karpaten.

    »Hulanu wollte eine große Treibjagd auf die Bären in Ra c a d a u
veranstalten. Er hatte mich schon ei ngeladen. Mal schau’n, ob es nach
seinem Tod dabei bleibt. Wenn ja, kommst du auf jeden Fall mit, Hannes!«

    Schreiber war so besoffen wie begeistert. Erst im Taxi,
das ihn zurück nach Wattenscheid brachte, fiel ihm sein Erlebnis mit der
Bärenmutter wieder ein. Aber da war es zu spät.

     

20

    Am nächsten Morgen ging es ihm besser als erwartet. Er hatte
im Kinderzimmer unterm Dach lange und traumlos geschlafen. Das Frühstück, das
seine Mutter ihm vorsetzte, tat ein Übriges. Schwarzbrot mit Quark und Erdbeermarmelade,
dann ein Toast mit Gouda. Alles so wie früher, leider auch der Kaffee. Der war
ihm inzwischen zu dünn. Berta Schreiber wieselte durch die Küche und las ihrem
Einzigen jeden Wunsch von den Augen ab. Die W AZ , die sie ihm brachte, legte
Schreiber ungelesen beiseite, plauderte stattdessen mit seiner Mutter über die
Verwandtschaft, den Gesangsverein und die Alcantara-Bande. So nannte er das
Damenkränzchen, mit dem sie um die Häuser zog. Die hochbetagten Mädel trugen
gern Kostüme und Übergangsmäntel aus Alcantara-Stoff, einer Art künstlichem
Veloursleder, das vor Jahrzehnten modern gewesen

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