Das Karpaten-Projekt
ein,
dass es eigentlich die normalste Sache der Welt war, wenn eine Tochter ihrem
Vater ein langes Leben wünschte. Also schwieg er.
»Ich befürchte, dass Diana das Unternehmen ruiniert, wenn
ich nicht mehr bin.« Steinkamps Satz kam tonlos.
»Denken das nicht viele Eltern von ihren Kindern? Meine
Mutter meint, dass ich ihr Haus verkommen lasse, sobald sie unterm Torf ist.«
»Zu Recht?«
»Ich denke nicht. Ich werde da wieder einziehen, wenn ich
mit dem Magazin fertig bin. Dann wird
zwar im Herbst nicht mehr jedes Blatt im Flug gefangen, damit es auf dem Rasen
kein Unheil anrichtet, aber verkommen lassen geht anders. Finde ich.«
Steinkamp kratzte sich am Bauch. »Mit Diana ist es
schwierig. Ihr genügt es nicht, halbwegs anständige Schuhe an die kleinen Leute
zu verkaufen. Das mach ich seit Jahrzehnten und verdien gutes Geld dabei. Diana
will was Besonderes, und sie ist ehrgeizig. Das war sie als kleines Mädchen
beim Reiten schon. Wahrscheinlich hab ich ihr zu viel ermöglicht. Das teuerste
Pferd, die beste Ausbildung. Sogar eine eigene Schuhkollektion habe ich sie
entwickeln lassen. Alles streng ökologisch. Di hat sie die genannt, in ihrer bescheidenen Art, und mit großem Pressetamtam vorgestellt.
Die Schuhe stehen wie Blei im Regal. Kein Aas kauft die teuren Dinger, schon
gar nicht bei Steinkamp. Die Frauen, die so was tragen, kriegen in unseren
Filialen lila Pickel im Gesicht.«
Er nahm noch einen Schluck Whisky. »Dianas Kollektion hat
mich plus/minus drei Millionen gekostet. Das sind auch für den reichsten Mann
von Gelsenkirchen keine Peanuts.«
Hannes hatte genügend Alkohol im Blut, um sich auch als
Unternehmensberater fit zu fühlen. »Heften Sie es unter Lebenserfahrung ab«,
riet er dem Alten. Mit anderer Leute Millionen ließ sich prima jonglieren.
Der geplagte Vater lächelte milde. »Hab ich schon. Aber
meine Tochter hat neue Pläne. Sie will eine Outdoorlinie entwickeln. Schicke
Schuhe für das Leben in der Natur. Einen Namen hat sie auch schon. Bearstone sollen die Dinger heißen, mit
einem possierlichen Petz als Logo.«
»Daher der Name Bratkartoffeln«, zitierte Hannes einen
anderen Spruch seines Vaters. »Diana macht die ganze Nummer mit Teddy nur, um
ihre neue Marke zu lancieren.«
»Sie haben es erfasst.«
»Und ich soll im Magazin die Fanfare für den Auftritt blasen.« Schreiber schüttete sich ohne zu fragen
noch einen Whisky ein. Die Buddel war danach fast leer. Er zwang sich, das edle
Gesöff nicht einfach zu kippen, nippte stattdessen und stellte das Glas wieder
ab. Die Tischplatte klirrte.
»Eins ist mir noch nicht klar«, sagte er wichtig. »Ihre
Tochter riskiert in Rumänien einen Riesenknatsch, wenn herauskommt, dass sie
hinter dem Bärenretter steht. Ist das nicht schlecht fürs Unternehmen?«
»Sicher. Und genau das will Diana. Sie will mit der
Produktion raus aus Rumänien. Möglichst mit einem Knall, den man in Deutschland
noch positiv verkaufen kann. Meine Tochter möchte die ganze Fertigung nach
Vietnam verlegen. Da sind die Lohnkosten niedriger als auf dem Balkan. Die
Konkurrenz lässt dort schon arbeiten.«
»Warum verbieten Sie ihr den Quatsch nicht einfach? Noch
gehört der Laden doch Ihnen, oder?«
Steinkamp schnaubte. »Was ich Ihnen jetzt sage, ist nicht
zur Veröffentlichung bestimmt. Kann ich mich darauf verlassen?« Er sah
Schreiber durchdringend an.
»Sicher«, sagte der Reporter, »auch wenn ich die Nummer
hasse wie die Pest. In Berlin eilen Sie als Journalist von einem
Hintergrundgespräch zum andern. Nachher wissen Sie alles, oder glauben es
jedenfalls, aber schreiben dürfen Sie nichts.«
»Jeder hat sein Päckchen zu tragen.« Steinkamp schwitzte
inzwischen. Er wischte sich die Perlen mit einem Stofftaschentuch von der Stirn
und steckte den Lappen zurück in seine Strickjacke, die über dem Bauch
strammte. Es war ein Modell, wie der Dicke es getragen hatte, als er
Gorbatschow die DDR abkaufte. »Als meine Frau vor fünf Jahren starb, hat sie
ihren Anteil am Unternehmen Diana vermacht.«
»Wie hoch?«
»Fünfzig Prozent.«
»Schöne Scheiße.«
»Dat kannze laut sagen.«
Hannes wusste nicht so recht, was er noch sagen sollte.
Gescheites fiel ihm nicht ein, also hielt er den Mund und trank lieber noch
einen Schluck. Der tote Oberförster fiel ihm wieder ein. Ob Steinkamp die
Geschichte schon kannte? Möglich, dass der Merresmisch sie ihm schon gesteckt
hatte. Die beiden schienen einen kurzen Draht zu haben.
»Dass
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