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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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Reportage schreiben, die Bartelmus drucken
musste, falls noch ein Tropfen Journalistenblut in seinen Krampfadern quoll.

    Hannes wusste, wie viel Stoff ihm für diese Art
Geschichte noch fehlte. Er bat um die Rechnung und bezahlte umgerechnet fünf
Euro für Frühstück und Bad. Dann fuhr er los. Die Straße schlängelte sich
zweispurig durchs Prahovatal bergan. Vor ihm kroch, Rußwolken furzend, ein
Lastwagen. Hannes hielt Abstand. Zur Strafe überholte ihn ein Bukarester
Mitsubishi. In der nächsten Kurve zog der Hauptstädter auch an dem Laster
vorbei, als sei der Gegenverkehr nur eine Ausrede für Bummelanten am Lenkrad.

    Am Vortag, auf dem Rückweg von Bukarest, war dem Reporter
das rumänische Jagdmuseum in Posada aufgefallen. Schilder mit Hirschgeweih
wiesen kilometerweit vorher darauf hin. Diesmal wollte er die Einfahrt nicht
verpassen. Das Muzeul Cinegetic lag
hinter einer Spitzkehre. Hannes bog scharf rechts ab, parkte den Corsa und
stiefelte zwischen Tujahecken auf den dreistöckigen Kasten zu. An einem
Edelholztresen bezahlte er seinen Eintritt und bat um eine Führung in Englisch.
Eine fein gemachte Frau im Kostüm, Filzgaloschen mit Gummizug an den Füßen,
schlurfte über das Parkett auf ihn zu. Eine Perlenkette umrundete ihren Hals
und verschwand im Ausschnitt. Schreiber zog auch ein Paar von den Filzlatschen
über. An lindgrünen Wänden entlang führte sie ihn in die Ausstellung.

    Hannes fragte, wann das Museum gebaut worden sei.

    »Nach der Revolution«, sagte die Kostümierte.

    Trotzdem schien der erschossene Diktator allgegenwärtig
in diesem Trophäenkabinett. Es gab zwar eine Abteilung mit Jagdgerät und
Zierrat aus vorkommunistischer Zeit, Dinge, die zum Lebensstil der Adelsfamilie
gehörten, die an diesem Ort einst gehaust hatte. Das Kernstück der Ausstellung
aber bildeten Jagdtrophäen aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Gigantische
Geweihe. Gamsgehörne aus den Karpaten, die Alpenjägern die Hose gebeult hätten.
Handlange Keilerzähne. Ort und Zeit der Erlegung waren auf kleinen Tafeln
festgehalten. Auch die Punktzahl, die der Internationale Jagdrat der Trophäe
zuerkannt hatte, war vermerkt. Nur der Name des Jägers fand sich nirgends.
Schreiber fragte die Museumsführerin. In einem romano-englischen Singsang
erklärte die Frau, Nicolae Ceausescu höchstselbst habe fast alle diese Tiere
geschossen. In ihrer Stimme schwang eine Mischung aus Stolz und Scham.

    Den letzten Saal nannte die Frau »unsere Raubtiergalerie«.
Ein Rudel ausgestopfter Wölfe heulte die Decke an. Der Luchs pirschte durchs
Unterholz. Zwei Bärenjunge waren im Spiel erstarrt. Schreiber hatte schon
bessere Präparatorenarbeiten gesehen, ein größeres Bärenfell als das an der
Stirnwand des Saales noch nicht. Es hätte locker als Überwurf für ein
Doppelbett gereicht. Der kürbisgroße Kopf des Bären zeigte mit der Nase zum
Boden. Die Achseln der Vorder- und Hinterläufe waren mit grünen Filzrosetten an
die Wand geheftet. So wie das Fell hing, erinnerte es an ein monströses
Flughörnchen.

    »Dies ist der größte Braunbär, der je geschossen wurde.«
Die Führerin trat einen Schritt beiseite und betrachtete die Bärendecke, als
sähe sie das Ding zum ersten Mal.

    »Von wem?«, fragte Schreiber der Form halber.

    »Ceausescu.«

    »Sie haben den Bären extra für ihn gemästet.« Den Mann,
der das sagte, hatte Hannes übersehen. Oder er war in den Saal gekommen,
während der Reporter das Fell bestaunte. Der Fremde steckte in Safarikleidern,
wie Gregory Peck sie in den Hemingway-Verfilmungen der Nachkriegszeit getragen
hatte. Schnee am Kilimandscharo und
so. Ein Vollbart umwucherte das Kinn des Mannes, graue Haare auf dem Wege, die
Oberhand über die schwarzen zu gewinnen. Der Bärtige war einen Tick älter als
Schreiber. Er stellte sich als Ovidiu Vandra vor.

    »Am liebsten möchte ich das Monster abnehmen lassen«,
sagte er. »Nicht nur, weil das Tier für den conducator fett gefüttert wurde. Sie haben das Fell auch gedehnt und gestreckt, damit es
Weltrekordformat erreichte. Wie auf einer Folterbank im Mittelalter.« Vandra
benutzte die Weltsprache Nummer eins: broken English. Er taumelte durch seine
Sätze, fiel aber selten hin. »Jeder, der Ahnung von Bärenbiologie hat, merkt,
dass die Proportionen nicht stimmen.«

    Hannes hatte das nicht erkannt. »Ich bin ein deutscher
Journalist«, sagte er und nannte seinen Namen. »Jäger bin ich auch, von Bären
verstehe ich allerdings nicht viel.«

    Der

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