Das Karpaten-Projekt
bog in den Gang mit Florias Bett. Die Alte hockte neben ihrer
Pritsche und sah sie wortlos an. Katharina holte aus und klatschte ihr die
blutige Katzenleiche mitten ins Gesicht.
»Du-te in pizda ma -tii!«, fluchte Floria. »Geh
in die Fotze deiner Mutter. Das wirst du noch bere uen, Sachsenhure!«
26
Nach dem Frühstück ging es ihm besser. Der Kaffee hatte den
Eisengeschmack aus dem Rachen gespült. Die Zigarette schmeckte nicht mehr nach
Rost. Schreiber saß auf der Terrasse einer pensiune an der E 60. Er war der einzige Frühstücksgast des Hauses, und er war froh
darüber. Sein Hemd glich einem ungebügelten Faltenrock, die Jeans beulte sich
vor den Knien wie eine Bottroper Jogginghose. Er müffelte unter den Achseln und
fischelte im Schritt.
Hannes hatte die Nacht auf der Alm verbracht. Nach der
zweiten Pfeffersprayattacke war er zu fertig, um nach Brasov zurückzufahren.
Als seine Augen es wieder taten, leuchtete er die Schäferei mit der Stirnlampe
ab und fand keine Spur von Teddy. Keine Isomatte, kein Schlafsack, kein nichts.
Schreiber legte sich auf den Holzboden und hörte den Mäusen zu. Das Rascheln
und Rennen erinnerte ihn an die Jagdhütte in der Lausitz, die er mit einer
Siebenschläferfamilie teilte. Er schlief schnell ein. Als er aufwachte, stand
die Sonne hoch.
Hannes steckte sich noch eine Marlboro zwischen die
Zähne. In einer Mischung aus Deutsch, Italienisch und Englisch fragte er die
Bedienung, ob er sich in einem der Zimmer der pensiune duschen dürfe. Die Frau verstand ihn nicht. Erst als
Schreiber seine Hand mit gespreizten Fingern über den Kopf hielt und dazu das
Rauschen des Wassers nachahmte, lächelte sie. »Nu problem.«
Die Kellnerin führte ihn in eins der Zimmer im ersten
Stock, ging voraus ins Bad, zeigte auf die Handtücher und verschwand wieder.
Hannes pellte sich aus den Klamotten. Das Wasser wurde langsam wärmer. Er fand
sogar ein Tütchen Shampoo in der Seifenschale. Es roch nach Himbeerbonbons.
Schreiber massierte das Zeug überallhin, wo er noch Haare hatte, wusch Schweiß
und Sprayreste ab. Er konnte sich nicht erinnern, das Duschen je so genossen zu
haben.
Während das Wasser auf seine Glatze prasselte, dachte er
über den Bärenbeschützer nach. Wegen Katharina hatte er sich mächtig über Teddy
erregt. Hinzu kam, dass der Bursche prima ins Feindbild passte. Ob er den
Oberförster von Brasov abgeknallt hatte? Sellemerten mochte feige sein und
Jäger als Lustmörder beschimpfen. Auf Demos von Jagdgegnern wilde Sprechchöre
anzustimmen, die bei Weidmännern vom Kaliber Steinkamp senior als Aufforderung
zum Totschlag ankamen, war die eine Sache. Einen Menschen zu erschießen, eine
zweite. Vielleicht war Sellemerten wirklich nur die verkrachte Existenz, für
die Hubert Steinkamps Schnüffler ihn hielten. Jemand, der auf Dianas Kosten den
Gutmenschen mimte. Einer, dem die Bärennummer über den Kopf gewachsen war, der
aus Angst lieber in die Wälder floh, als sich einsperren zu lassen.
Hannes drehte das Wasser ab und rubbelte sich trocken. Mit
frischer Wäsche wäre es ein perfekter Morgen gewesen. Aber Unterhosen in Größe sechs
waren im Gasthaus nicht zu kriegen. Er zog seine Sachen wieder an und nahm auf
der Terrasse noch einen Kaffee. Im Grunde steckte er in einer Sackgasse wie
Teddy. Statt sich über ihn aufzuregen, überlegte er besser, wie es weitergehen
sollte mit ihm selbst und dem Magazin, für das er immer noch arbeitete.
Die Geschichte, die Bartelmus von ihm verlangte, konnte
er nach dem Streit mit Sellemerten endgültig vergessen. Die einzige Chance,
Stefan zu besänftigen, wäre eine Enthüllung über Diana Steinkamp und ihren
Plan, den Alten loszuwerden. Eine Reportage über die rumänischen Bären und die
beiden Deutschen, die sie schützen wollten: Teddy, der Bärenflüsterer, und
Katharina, die Biologin. Dazu der Mord am Brasover Forstamtsleiter, der schon
unter Ceausescu Bären für den schießwütigen Diktator gemästet hatte und sie
seit der Wende an westliche Jäger verschacherte. Warum der Oberförster sterben
musste und von wessen Hand. Eine Menge Stoff für eine Magazin -Geschichte. Schreiber hatte so eine Art Gesamtkunstwerk
noch nie zustande gebracht. Manchmal, wenn er Geschichten von Edelfedern in
anderen Blättern las, wurde er neidisch. Er hätte gern so viel Platz im Magazin gehabt, um seine Recherchen
auszubreiten. Und einen Stil, der weniger an den Fakten klebte. Er war sich
nicht sicher, ob er das könnte: eine
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