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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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auf einen der
Stühle gleiten und schnaufte. Schreiber setzte sich neben sie und nahm ihre
Hand. Vergebens kämpfte sie gegen die Tränen, saß schluchzend da und weinte
hemmungslos. Das Taschentuch, das der Reporter ihr gab, wurde schnell nass. Er
hielt ihr ein neues hin. Sie lächelte unter Tränen und nahm es. Langsam ließ
der Weinkrampf nach. Schniefend entschuldigte sie sich.

    »Da nich für«, sagte der Reporter mit einem Hamburger
Zungenschlag. »Ich muss mich entschuldigen. Ich hab Sie lange warten lassen.
Aber es war nicht ganz einfach, hier reinzukommen. Pastor Arning hat das achte
Gebot gebrochen, um mich mitnehmen zu können.«

    Katharina sah den Mann, der sie konfirmiert hatte,
fragend an.

    »Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen
Nächsten, Treni. Das hast du doch im Konfirmandenunterricht gelernt.« Er
lächelte müde über ihre Vergesslichkeit.

    »Wen haben Sie denn belogen, Herr Pfarrer?«

    »Die Gefängnisdirektorin. Ich habe Herrn Schreiber als
Kollegen aus Deutschland ausgegeben, der mich bei der Seelsorge für einige Zeit
unterstützen soll.«

    Katharina warf Hannes einen Blick zu. »Das war Ihre Idee,
oder?«

    Schreiber grinste breit. »Sie kennen mich schon ganz gut,
Katharina.«

    Sollte sie ihm sagen, dass sie seines Auftauchens sicher
gewesen war, falls er von ihrer Festnahme erführe? Wenn der Pastor nicht dabei
gewesen wäre, hätte sie es getan. Im Beisein des Mannes, der sie von klein auf
kannte, mochte sie nicht darüber reden. Gegenüber dem Pastor fühlte sie sich
auch mit sechsunddreißig Jahren noch wie die kleine Treni Orend aus Wolkendorf.

    »Danke, Herr Pfarrer.«

    »Der Herr wird mir’s verzeihen«, sagte Arning. Er stand
immer noch neben seinem Stuhl und wusste nicht wohin mit seinen Händen.
Katharina ließ Schreibers Hand los, nahm die des Pfarrers und zog ihn auf den
Platz neben sich.

    »Wie geht es dir, Treni?«, fragte Arning. In seinem
Kummer sah er noch grauer und verknitterter aus als sonst. Katharina hatte das
Gefühl, er brauche mehr Trost als sie.

    »Den Umständen entsprechend.« Das war nicht einmal
gelogen.

    »Wie kommst du mit den anderen Frauen zurecht? Es sind
sicher schlimme Fälle darunter.«

    Katharina wusste nicht, was sie sagen sollte. Den Zoff
mit Floria mochte sie nicht erwähnen. »Sie haben uns doch im
Konfirmandenunterricht erzählt, dass Jesus mit den Zöllnern und Verbrechern gut
zurechtgekommen ist, Herr Pastor.«

    »So war sie schon als Kind«, sagte Arning und sah den
Reporter hilflos an.

    Schreiber lächelte. »Im Ernst, Katharina, gibt es
Probleme, über die wir mit der Direktorin reden können? Die Frau macht einen
vernünftigen Eindruck. Auf uns Seelsorger hört sie vielleicht.«

    Katharina blies sich eine Strähne aus der Stirn. »Da ist
eine Zigeunerin, Floria, mit der habe ich Streit. Sie bringt die anderen Frauen
gegen mich auf. Es geht um eine Katze.« Sie erzählte den beiden die Geschichte
von dem Kätzchen, was Floria damit gemacht hatte und sie anschließend mit
Floria.

    »Aber Treni«, sagte der Pfarrer, mehr nicht.

    »Wir reden mit der Direktorin darüber. Vielleicht steckt
sie Sie in eine andere Zelle.«

    »Wäre besser.«

    »Okay. Draußen läuft auch einiges. Ich war beim deutschen
Botschafter in Bukarest. Die besorgen Ihnen einen anständigen Rechtsanwalt.
Außerdem schicken sie einen Beamten vorbei, der die Haftbedingungen überprüft.
Dem erzählen Sie bitte von der Geschichte mit der Zigeunerin, falls sie noch
aktuell ist.«

    Eigentlich mochte sie es überhaupt nicht, wenn Männer ihr
Ratschläge erteilten. Wahrscheinlich lag das an ihrem Vater, der ihr pausenlos
gesagt hatte, was sie tun und lassen sollte. Bei Hannes Schreiber war es
anders. Sie vertraute ihm, obwohl sie sich erst so kurz kannten.

    »Morgen fliege ich nach Berlin«, sagte der Reporter. »Ich
kenne da einen Politiker aus der Regierungspartei, der helfen könnte, Sie hier
rauszuholen. Er kommt aus meiner Heimatstadt. Wir kennen uns seit
Achtundsechzig. Damals haben wir gemeinsam demonstriert. Danach sind wir
unterschiedliche Wege gegangen. Um es wertfrei auszudrücken. Aber Karsten Groß
ist kein schlechter Kerl. Mit dem werde ich über Ihren Fall reden. Die Rumänen
wollen schließlich in die EU.«

    Genau das hatte sie auch gedacht, in den Zellennächten
kurz nach ihrer Einlieferung. Am Ende hatte sie die Hoffnung an eine
Intervention aus Deutschland als größenwahnsinnig abgetan. Für Schreiber schien
diese Idee normal

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