Das Karpaten-Projekt
die seine nicht. Als Linker hätte er sich für Ökonomie
interessieren müssen. Aber der Wirtschaftsteil der Zeitungen langweilte ihn.
Schreiber legte seine Gabel weg und wartete darauf, dass
Groß mit seinen Vorspeisen zu Ende käme. Nach dem Essen brauchte er eine
Zigarette. »Heißt das, du willst der Frau nicht helfen?«, fragte er.
Karsten Groß kaute auf seinem letzten Tintenfischring. Er
wischte den Teller mit Weißbrot aus, mampfte auch das, trank Weißwein darauf
und sah satt und zufrieden aus. »Hab ich das gesagt?«
Hannes wurde es zu blöd. Er steckte sich eine Marlboro an
und blies Buddy den Qualm über den Tisch zu. Groß hüstelte. »Es wird nicht
einfach. Irgendwie muss ich an dem Straßenkämpfer im Auswärtigen Amt vorbei.
Wenn der mitkriegt, dass ich in seinem Teich angle, bläst er sich im Kabinett
auf wie ein Ochsenfrosch. Ich werde es über seinen Staatssekretär versuchen.
Der fährt auf unserm Ticket.«
»Was wird der Mann tun?«
»Den rumänischen Botschafter auf den Fall ansprechen. Er
wird mit Dackelfalten auf der Stirn sein Missfallen über den Umgang der
dortigen Justiz mit einer deutschen Staatsbürgerin zum Ausdruck bringen. Und
das kurz vor Abschluss der Verhandlungen über den EU-Beitritt Rumäniens. Dann
liegt der Ball in deren Feld.«
»Was meinst du, wie lange er da liegen bleibt?«
»Du stellst vielleicht Fragen, Langer. Woher soll ich das
wissen, ob sie reagieren und wie schnell? Ich kann es versuchen, mehr nicht.
Erzähl mir lieber von den Steinkamps. Meinst du, der Alte redet mit uns? Das
wäre natürlich der Hype: Unternehmer alter Schule wendet sich öffentlich gegen
die eigene Tochter und ihre Partei, die er früher selbst finanziert hat. Kannst
du bei dem nicht mal vorfühlen? Von Jäger zu Jäger, mein ich. Du darfst die
Sache im Magazin dann exklusiv
verkünden. Vielleicht stimmt das deinen Chefredakteur gnädig.«
Schreiber bekam feuchte Finger. Er merkte, wie glatt das
Parkett war, auf dem er tanzte. Ein falscher Schritt, und er läge auf der
Schnauze. Bartelmus wusste nicht einmal, dass er nicht mehr in Rumänien war.
Statt Loblieder auf Diana Steinkamp zu singen, kungelte Hannes mit ihren
politischen Gegnern in Berlin. Scheiß der Hund drauf, fluchte er innerlich.
Seine Situation beim Magazin fühlte
sich ohnehin an wie Edeka, Ende der Karriere. »Ich kann mal mit dem alten
Steinkamp reden«, sagte er. »Er wollte, dass ich ihn anrufe, wenn ich wieder im
Lande bin.«
»Prima, Langer. Auf die alten Tage lernst du noch, wie
Realpolitik geht. Und ich kümmer mich um deine Perle Siebenbürgens. Abgemacht?«
Buddy hielt ihm die Hand über den Tisch. Schreiber blieb nichts anderes als einzuschlagen.
29
Er brauchte einen halben Tag, um Hubertus Steinkamp ans
Telefon zu bekommen. Obwohl er seinen Nebenanschluss wählte, landete er immer
wieder in der Zentrale. »Ich weiß auch nicht, was mit dem Senior heute Morgen
los ist, der hört mit dem Telefonieren gar nicht mehr auf. Ist doch sonst nicht
seine Art.«
Gegen Mittag kam Schreiber endlich durch. Er hatte sich
vorher gefragt, ob er den Alten duzen sollte, und sich dagegen entschieden.
Brechts Stück vom Herrn Puntila war ihm eingefallen. Der finnische Gutsbesitzer
war betrunken ein Menschenfreund und nüchtern ein Ausbeuter.
Auf das gebellte »Steinkamp« antwortete er mit: »Hannes
Schreiber vom Magazin. Tag, Herr
Steinkamp.«
Das hätte er besser nicht getan. »Wat soll dat denn
jetzt?«, brüllte Steinkamp. »Erst trinken wir mit meinem besten Whisky
Brüderschaft und eine Woche später bin ich wieder Herr Steinkamp? Da hätte ich
anderes erwartet von einem Wattenscheider. Aber man guckt den Leuten nur vor
den Kopp, nicht rein.«
Schreiber schluckte trocken. Dieser Mensch tat nicht leutselig,
er war es. Sogar in nüchternem Zustand. Hannes versuchte, seinen Fehler
vergessen zu machen. »Reg dich ab, Hubert«, sagte er. »Ich bin mit den Jahren
vorsichtig geworden. Vielleicht hab ich auch eine Überdosis Hamburg in den
Knochen. Die ganze Alster ist ein einziges, großes Fettnäpfchen. Als Junge aus
dem Ruhrpott latschst du da ständig rein.«
»Red dich nicht raus, Schreiber«, zischelte Steinkamp. »Du
hast mich falsch eingeschätzt. Das ist schlecht für einen Reporter. Aber ich
weiß ja, woran es liegt.«
»Dann sag mal.«
»Als alter Linker glaubst du doch, Unternehmer sind per
se üble Typen.«
»Nicht schlecht, Frau Specht. Haben deine Securityfuzzis
mich
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