Das Karpaten-Projekt
Ökoterroristen in einem
EU-Beitrittsland, und alles mit Billigung der Kanzlerkandidatin der Opposition.
Während sie auf ihr Futter warteten, begann Hannes, Groß
die Geschichte zu erzählen. »Eins vorweg, Buddy: Was ich dir jetzt erzähle, ist
nicht zu verwenden, solange wir uns nicht einig sind. Sonst macht ihr Politiker
es mit uns Journalisten so. Diesmal muss es umgekehrt gehen.«
»Mach halblang, Schreiber. Wer von uns beiden ist denn
hier die Plaudertasche, du oder ich?«
Hannes hielt sich an die Chronologie der Ereignisse. Er
begann mit dem Sommerfest des Magazins und dem Auftritt der Kandidatin nebst Umweltministerin in spe. Schilderte seine
Abenteuer in Rumänien und den Abend mit dem alten Steinkamp in Gelsenkirchen. Seinen
Krach mit Bartelmus wegen der Gefälligkeitsgeschichte für die Kandidatin
referierte er mit verteilten Rollen. Er merkte, dass Groß aufhörte, Pistazien
zu knabbern, und sehr genau zuhörte. Dann kam der Mord am Forstamtsleiter von
Brasov und die Verhaftung Katharinas. Am Ende beschrieb er Buddy den Frauenknast
von Targsor mit seinen Zellen für siebzig Gefangene und wie es der deutschen
Biologin dort erging.
»Beim Botschafter in Bukarest bin ich auch gewesen.«
Schreiber schüttete den Rest des Cynars in sich hinein. »Der Mann ist so was
von smart, sag ich dir. Der will es sich nicht mit der Kandidatin verderben und
beschränkt sich auf die konsularische Betreuung des Falls. Wegen der
politischen Seite hat er mich an Berlin verwiesen. ›Sie werden dort sicher Ihre
Connections haben.‹ Nach einigem Überlegen fielst du mir ein.«
Die Kellnerin brachte das Essen. Schreiber stocherte in
seinem Salat. Groß säbelte ein paar Scheiben von dem Weißbrot ab, das Francesca
auf den Tisch gestellt hatte, goss von dem Weißen ein und machte sich über
seinen Vorspeisenteller her. Zu Schreibers Geschichte sagte er erst mal nichts.
Hannes schob den essigsauren Salat beiseite und wickelte
Nudeln um die Gabel. Sie waren schön bissfest, und die Tomatensoße mit
angebratenen Auberginenwürfeln schmeckte gut dazu. »Eins muss man dir lassen«,
sagte er, »du weißt, wo man in diesem überdrehten Kaff anständig essen kann.«
»Danke. Ich kann mich nicht erinnern, dass du mich je gelobt
hast.«
»Du hast mir keinen Anlass gegeben. Wir hätten weniger über
Politik reden sollen und mehr übers Essen.«
Groß schenkte Wein nach. »Wenn ich es richtig sehe, soll
ich die Kleine für dich aus dem Knast holen, oder? Lohnt es sich denn
wenigstens? Ist sie hübsch?«
»Ach, Buddy. In unserm Alter sollte man wissen, in welcher
Liga man spielt. Die Frau hat mir das Leben gerettet, als mich eine Bärin
angriff. Ich bin ihr was schuldig.«
Groß sah ihn Meeresfrüchte mampfend an. Er spülte mit
einem Schluck Wein nach. »Hör auf mit dem Gesülze«, sagte er dann, »den
selbstlosen Senior kauf ich dir eh nicht ab.«
»Musst du auch nicht. Wenn du es schaffst, die Frau aus
diesem Loch zu holen, darfst du mich öffentlich einen alten Lustmolch nennen.
Nur rausholen musst du sie.«
»Und wie stellst du dir das vor? Karsten Groß fliegt nach
Rumänien, stellt die Regierung da kurz in den Senkel, und schon kommt deine
Biologin frei?«
»Halt mich nicht für blöder, als ich bin. Ich denke, die
Rumänen wollen unbedingt in die EU. Da können sie keinen Justizskandal um eine
deutsche Staatsangehörige brauchen. Das werdet ihr ihnen doch deutlich machen
können. Auf diplomatischem Weg.«
»Ach, Schreiber«, stöhnte Groß. »Meinst du wirklich, wir
nehmen die nicht in die EU auf, weil sie den Rechtsstaat nur vom Hörensagen
kennen? Wir wollen denen unsere Produkte verkaufen. Müllermilch und Metro, Praktiker und Hochland-Käse, darum geht’s. Die Konkurrenz schläft nicht. Renault
hat sich Dacia unter den Nagel gerissen. Die Franzosen lassen in Rumänien ein
Billigauto zusammenschrauben. Und die Amis bauen den Rumänen eine Autobahn quer
durchs Land. Ohne Ausschreibung haben die den Auftrag an Land gezogen. Weißt du
auch, um welche Stadt der Highway einen großen Bogen machen wird?«
Schreiber zuckte mit den Schultern.
»Sibiu. Das frühere Hermannstadt. Weil die einen Siebenbürger
Sachsen zum Bürgermeister gewählt haben, der viele deutsche Firmen in der Stadt
angesiedelt hat. Sibiu ist das Einfallstor der Deutschen, denkt sich der Ami.
Warum sollen wir denen auch noch einen Autobahnanschluss bauen?«
Hannes drehte seine letzten Spaghetti um die Gabel. Die
Geschäftswelt war
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