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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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geröntgt?«

    »Dazu brauch ich die nicht. Ich hab dich einfach gegoogelt,
Schreiber. Der alte Steinkamp geht nämlich mit der Zeit. Was ich im Internet
über dich gefunden hab, reicht mir.«

    Na toll, dachte Hannes. Den Deal mit Karsten Groß konnte
er vergessen. Er schwieg. Das kam selten vor.

    »Biste noch dran?« Steinkamp wieherte ein Lachen in den
Hörer. »Oder haste vor Schreck aufgelegt?«

    »War nur eine Denkpause.«

    »Die sollteste das nächste Mal machen, bevor du mich anrufst.«

    »Hab ich ja.«

    »Und?«

    »Ich hab falsch gedacht.«

    »Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Ich will mal
nicht so sein und geb dir noch ne zweite Chance.«

    »Danke, Papi.«

    »Kaum hat er wieder Wind unter den Flügeln, wird er
frech. Dabei wollte ich dich grad zur Bärenjagd einladen. Oder bist du dazu
auch zu vorsichtig geworden?«

    In Gedanken sah Schreiber die Bärin den Hang herunterstürmen.
Direkt auf ihn zu. »Einladungen darf man nicht ablehnen«, sagte er, »hat meine
Mutter mir beigebracht.«

    »Kluge Frau. Übermorgen flieg ich nach Rumänien. Wir
treffen uns dann abends in Ma gura.
Waffe kannste zu Hause lassen. Du kriegst eine von meinen. Und jetzt leg ich
dich auf, Schreiber. Ich muss weiter ausbeuten.«

    Hannes hüpfte aus dem Schreibtischstuhl und stürmte zur
Stereoanlage. Er schob die oberste CD vom Stapel ein. Der Mitschnitt
irgendeines Konzerts der Neverending
Tour. Glory, glory, glory, somebody touched me, krächzte der Meister, must have been the hand of the Lord.
    Schreiber schnappte seinen Jagdrucksack und ging das
Geraffel durch: Fernglas, Entfernungsmesser, Kopflampe, Regencape, Messer,
Jagdschein, alles da. Er wollte gerade einen Flug buchen, als das Telefon
klingelte. Schreiber meldete
sich.
    »Hi.
This is Ovidiu from Brasov. I have something interesting for you.«
    Hannes musste sich setzen. Erst Steinkamp, jetzt Vandra.
Es ging Schlag auf Schlag. »Tell me about it, Ovidiu.«

    Was er Interessantes herausgefunden hatte, wollte Vandra
am Telefon nicht sagen, weil »Comrade C« eine Rolle spiele. Schreiber
überlegte, wer mit »Genosse C« gemeint sei. Ihm fiel nur einer ein: Ceausescu. »Ich
komme morgen nach Rumänien«, sagte er. »Wann und wo wollen wir uns treffen?«

    »Am Transfogarasch-Highway gibt es kurz vor dem Tunnel
einen kleinen See mit einem Restaurant. Cabana
Balea Lac. Ich bin abends um acht da. Okay?«

    Hannes stimmte zu und legte auf. Aus den Boxen nölte Dylan: Mama, you been on my mind.
     

30

    Mitten in der Nacht wachte sie auf. Sie wusste nicht, wie spät
es war. Die Uhr hatten sie ihr gestohlen. Ihr Zellenfenster ging nach Osten.
Das Grauen des Morgens war noch nicht über die Gefängnismauer gekrochen.
Katharina lag auf dem Rücken und lauschte in den Raum. Sie hörte dem Atmen der
Schlafenden zu. Die Frau im Bett unter ihr warf sich auf die andere Seite,
stöhnte und begann leise zu schnarchen. Einen Gang weiter lallte jemand mit
traumschwerer Zunge.

    Sie lag noch immer in Zelle vier. Auch der Besuch des
Botschaftsmenschen hatte nichts daran geändert. Der mausgraue Mann war ihr sehr
geschäftsmäßig vorgekommen. Kein persönliches Wort, keine Spur von Mitgefühl.
Er kramte ein Formular aus seiner Aktentasche und arbeitete es Punkt für Punkt
ab: Name, Alter, Beruf, Anschrift, Verwandte in Deutschland, Ansprechpartner in
Rumänien, Zeitpunkt der Inhaftierung, zuständige Polizeibehörde, Tatvorwurf.

    Als Katharina ihren Fall erläutern wollte, schnitt er ihr
das Wort ab. »Die juristische Seite fällt nicht in die Zuständigkeit der
Botschaft. Besprechen Sie das bitte mit dem Rechtsanwalt, den wir informiert
haben.« Der Beamte nannte den Namen ihres Verteidigers. Er werde sie in den
nächsten Wochen aufsuchen. In den nächsten Wochen. Sie fröstelte beim Gedanken
an die Zeit, die sie in dieser Vorhölle verbringen sollte.

    Als letzten Punkt auf seiner Liste hakte der Botschaftsmann
die Haftbedingungen ab. Sie schilderte ihm ihren Kleinkrieg mit der dicken
Floria und dem Rest der Zelle vier. Der Beamte hörte zu, ohne sich Notizen zu
machen. Er werde mit der Gefängnisleitung reden, sagte er. Chancen für eine
Verlegung sehe er allerdings nicht. Schließlich sei der Streit von ihr
ausgegangen.

    Der Besuch war zwei Tage her, passiert war nichts.
Katharina blieb auf sich allein gestellt. Eigentlich war sie daran gewöhnt. Ihr
Einzelkämpferjob in Kronstadt hatte sie gelehrt, ohne fremde Hilfe zu überleben.
Ein halbes Jahr war das gut gegangen.

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